Die Pestärztin
zwölf Jahre gewesen sein konnte. Ihr Fall war hoffnungslos.
Die Eröffnung ihres Onkels und all die Grübeleien hielten Lucia hellwach. Trotz des anstrengenden Tages, der hinter ihr lag, warf sie sich schlaflos im Bett herum, bis sie es schließlich nicht mehr aushielt. Sie würde ein bisschen auf den Wehrgängen herumspazieren und frische Luft schnappen. Wenn Gunhild das konnte, ohne entdeckt zu werden, sollte es ihr wohl auch gelingen. Und vielleicht war ja sogar Elisabeth noch wach. Lucia hätte gern mit ihr gesprochen. Die Herzogin musste wissen, wie eine adelige Braut der Etikette gemäß Nein sagte!
Lucia warf also einen dunklen Überwurf über ihr Nachthemd und schlich hinaus. Der Regen hatte zum Glück aufgehört, die Nacht war nicht kalt. Und zumindest in der Küche schien noch Betrieb zu sein. Lucia, die am Abend kaum etwas zu sich genommen hatte, verspürte leichten Hunger. Außerdem wäre ein Becher warmer Wein als Schlaftrunk nicht schlecht.
Sie betrat die Küchengebäude durch eine Hintertür, aber tatsächlich war dort nicht mehr viel los. Die Köche waren schon gegangen; ein paar Küchenjungen spülten noch ab. Lucia war beinahe zu schüchtern, um etwas Wein und Käse zu bitten, doch als die Jungen sie erkannten, rissen sie sich geradezu darum, ihr aufzuwarten.
»Ihr könnt noch kalten Braten haben, Frau Lucia, oder Geflügel. Nur mit dem Wein geht es nicht so schnell. Ein paar letzte Zecher sind unten im Weinkeller. Der Herzog Stephan mit dem Oettinger, dem Fraunberger und diesem Dänen ... oder ist er Schwede? Auf jeden Fall verträgt er was, sag ich Euch!« Der Junge war trotz der späten Stunde guter Laune und sprach so vertraut mit dem Edelfräulein, als wäre sie seinesgleichen. Lucia hatte in den letzten Tagen oft mit ihm zusammen gearbeitet. Er gehörte zu den Bediensteten, die für die Garküchen in der Stadt zuständig waren, und wahrscheinlich hatte er bei der Bewirtung der Bürger auch so manches Becherchen Wein mit getrunken.
Lucia lächelte ihm zu, obwohl es ihr Mühe machte. So nah hatte sie ihrem Onkel und dem Fraunberger heute eigentlich nicht mehr kommen wollen.
»Was machen die denn im Keller?«, erkundigte sie sich. »Ist der Mundschenk nicht mehr da?«
»Der Herzog will seine besten Weine mit ihnen verkosten. Dabei schmecken sie jetzt wahrscheinlich gar nichts mehr, so bezecht, wie sie sind. Der Kellermeister ist sauer, aber was soll er machen? Er war aber auch vorher schon schlecht gelaunt, wegen ... nein, das darf ich ja nicht verraten!« Der Junge kicherte.
Lucia verzog tadelnd das Gesicht. »Heinrich, Heinrich, auch du hörst dich an, als hättest du zu tief ins Glas geschaut! Aber behalte nur deine Geheimnisse, ich muss keinen Wein trinken. Vielleicht habt ihr ja einen Becher Milch.«
»Ihr kriegt schon noch Euren Wein. Lasst mich nur hören, wie weit die da unten sind!« Der Junge öffnete die Tür zu den Kellergängen und horchte auf der Treppe. Die Stimmen des Herzogs und seiner Zechkumpane waren hier gut zu verstehen. Lucia konnte sich nicht bezähmen. Sie folgte dem Jungen und legte den Finger auf die Lippen.
Heinrich grinste verschwörerisch. Lucia jedoch lief es kalt den Rücken herunter, als sie die Männer reden hörte.
»Ja, sie ist schön, aber das ist nicht alles!« Die Stimme des Herzogs. »Könnt ... könnt ihr mir glauben. Meine ist auch schön. Aber ein liederliches Ding, mit all ihren Minneherren und ihren Launen ...«
»Aber Ihr habt sie im Griff!«, lachte der Oettinger. »Das ist wie mit einem guten Streitross. Wer will ein langweiliges Tier, das sich treiben lässt? Besser was Feuriges, aber das muss man natürlich zu handhaben wissen.«
»Hauptsache, sie kommen als Jungfrau in Euer Bett!«, ließ der Däne sich vernehmen. »Danach kann man auf sie aufpassen. Aber was sie treiben, bevor man sie auf der heimischen Burg hat ...«
Lucia fuhr der Schrecken in die Glieder.
»Also, mir ist das gar nicht so wichtig.« Der Fraunberger. Gemütlich und gelassen. »Ich hab sie ganz gern ein bisschen erfahren, deshalb nehm ich dem Oettinger auch sein gefallenes Nichtchen ab. Da mach ich mir schon das Rechte draus. Hübsch wie sie ist!«
»In meinem Lande verlangt man eine Jungfrau!«, beharrte jedoch Herr Birger. »Und in meiner Hochzeitsnacht wird Blut fließen. Aus ihrer Scheide oder ihrer Kehle!«
»Sie ... sie ist kein gefallenes Mädchen!«, verteidigte der Oettinger inzwischen seine Nichte. »Sie war so was wie vermählt ...«
»So was wie
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