Die Pestärztin
ihr lichtblaues, mit Edelsteinen geschmücktes Hochzeitskleid, dazu einen Kranz frischer Blumen im offenen Haar, das allerdings von einem Schleier aus schwarzer Gaze bedeckt wurde. Der Schleier verbarg auch ihr Gesicht vor neugierigen Blicken. Das war gut so, denn das Mädchen brachte es nicht über sich, den Blick auf den Toten vor ihr zu richten. Sie hielt die Augen gesenkt oder starrte in eine der Kerzen, die man um die Bahre herum aufgestellt hatte. Vorerst waren es noch schlichte weiße Kerzen, aber die Nonnen im Kloster Seligenthal arbeiteten schon daran, Kerzen in den Farben des Hauses Skaane zu ziehen. Auch den Schild und die Waffen des Toten hatten die Herolde vor seinem Totenbett zur Schau gestellt. Nur der Helm fehlte; man hatte ihn wohl nicht so schnell von dem vielen Blut reinigen können.
Die Bahre mit Herrn Birgers Körper war vor dem Altar der Burgkapelle aufgestellt, und der Hofkaplan las bereits die ersten Totenmessen für ihn. In den nächsten Tagen würden es Dutzende, ja Hunderte Totengebete werden. Um verdiente Ritter wie Herrn Birger wurde wochenlang getrauert. Die Anzahl der Totenmessen entsprach seiner Wertschätzung durch Familie und Gastgeber.
In der ersten Bankreihe vor dem Altar kniete Bernhard von Paring. Der junge Ritter schluchzte haltlos, und Lucia und Elisabeth mussten Gunhild fast mit Gewalt daran hindern, sich ihm zuzuwenden.
»Es wäre besser, wenn er sich nicht so auffällig benehmen würde«, wisperte Elisabeth. »Andererseits passt es gut ins Bild. Man glaubt ihm die aufrichtige Reue. In Birgers Familie wird man die Sache auch kaum anzweifeln. Solche Unfälle kommen vor ...«
Tatsächlich geschahen sie sogar recht häufig. Manchmal verlangte man Wergeld von dem Mann, der den Tod im Turnier veranlasst hatte; mitunter zahlte der Veranstalter eine Entschädigung, oder man ließ es einfach auf sich beruhen.
Bernhards Trauer sicherte ihm zumindest die Sympathie aller Beteiligten. Selbst die Herzöge, die vor dem Bankett einer der Totenmessen beiwohnten, zeigten ihm ihr Mitgefühl, indem sie neben ihm knieten und die Totengebete sprachen.
Bernhard bat die Herren, mit dem Kaplan und den Damen die Totenwache halten zu dürfen, und natürlich wurde es ihm gewährt.
Die anderen Ritter zogen sich nach einer Andacht in die große Halle zurück, wo diesmal nicht zu Ehren eines Siegers, sondern im Andenken an den verdienten Ritter gezecht wurde.
»Letztlich kommt es natürlich aufs Gleiche heraus«, bemerkte Elisabeth zynisch. Sie gönnte sich und Lucia eine Pause vom endlosen Beten, nachdem nicht nur die Nonnen von Seligenthal, sondern auch die Herzoginmutter eingetroffen waren.
Die Nonnen nahmen sich sofort der trauernden Braut an, nachdem sie ihre Kerzen aufgestellt hatten. Sie hielten das Mädchen zwischen sich und sprachen Gebete mit ihm; man durfte davon ausgehen, dass sie Gunhild erfolgreich davon abhalten würden, sich nach dem Ritter in der ersten Kirchenbank umzusehen.
Frau Margarethe wirkte ausgeruht. Sie schien nach den Wettkämpfen etwas gegessen und ein wenig geschlafen zu haben. Jetzt brachte sie genügend Energie auf, um zugleich die Klosterschwestern, den Kaplan und ihre Mädchen im Auge zu behalten. Bestimmt würde während dieser Totenwache niemand einschlafen.
Elisabeth und Lucia stärkten sich mit ein wenig Rauchfleisch, Brot und Wein.
»Die Dienstboten werden tuscheln«, meinte Lucia besorgt. Der kleine Heinrich hatte die Damen eben bedient. Und zumindest er wusste von der Liebschaft zwischen Gunhild und ihrem Ritter.
Elisabeth zuckte die Schultern. »Niemand wird auf sie hören. Aber einige der Ritter werden ebenfalls eins und eins zusammenzählen. Dietmar von Thüringen und Bernhard von Paring sind enge Freunde. Desgleichen Jerome de la Bourgogne. Aber die halten den Mund. Wenn hier jemand hätte reden wollen, hätte er es heute getan. Falls der Wein nicht noch einem die Zunge löst, hat Herr Bernhard morgen sicher nichts mehr zu befürchten. Aber frag mich nicht, wie das weitergehen soll. Natürlich ist Gunhild jetzt frei, aber Bernhard kann schwerlich um sie werben. Ein junger Ritter, noch ohne Land, selbst wenn ihm ein Lehen zugesagt ist ...«
Dass der Mann ihren Verlobten umgebracht hatte, schien kein größeres Hindernis zu sein. Lucia hatte immer noch Schwierigkeiten, die Sitten des Adels zu verstehen.
Aber hier musste irgendeine Regelung gefunden werden.
Als die Frauen zurück in die Kirche gingen, kniete Lucia sich neben Bernhard.
Der junge
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