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Die Pestärztin

Titel: Die Pestärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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Ritter schluchzte jetzt nicht mehr laut; stattdessen hatte er sein Gesicht in den Händen verborgen.
    »Was wollt Ihr jetzt machen?«, wisperte Lucia.
    Herr Bernhard warf ihr aus dem Augenwinkel einen Blick zu.
    »Ihr wisst, ich hatte keine Wahl.« Sein Gesicht war vom Weinen gerötet.
    »Ich mache Euch keinen Vorwurf. Aber was geschieht jetzt? Mit Euch? Und Gunhild?« Lucia sprach leise im monotonen Tonfall eines Gebets. Auch sie hatte einen Schleier über ihr Haar gezogen. Sie wusste noch von Al Shifa, wie man sich in einer Kirche verstellt.
    »Ich werde zunächst zurück nach Sizilien reiten«, gab Bernhard Auskunft. »Und meinen Herrn an das versprochene Lehen gemahnen. Danach werde ich Gunhilds Vater um ihre Hand bitten.«
    »Und meint Ihr, er wird sie Euch gewähren? Dem Mör ... äh, demjenigen, der Herrn Birger getötet hat?« Lucia spielte mit ihrem Gebetbuch.
    »Eben deshalb habe ich Hoffnung. Meine Ehre gebietet es mir, mich der Hinterbliebenen des Mannes anzunehmen, dem ich das Leben genommen habe. Ich biete seiner Familie Wergeld. Und der Familie seiner Verlobten biete ich mich selbst als Ersatz an.« Der Ritter sah sie beifallheischend an. Er schien das für eine ideale Lösung zu halten, der Gunhilds Vater nicht widerstehen konnte.
    Lucia war eher skeptisch. Sie machte schließlich gerade selbst ihre ersten Erfahrungen darin, das Pfand in einem Heiratsgeschäft zu sein. Und wenn ein Conrad von Oettingen schon die Rechte an einer Bastard-Tochter wie Lucia so vehement verteidigte, wie er es gegen Arnulf von Bruckberg getan hatte - wie wertvoll war dann erst eine Fürstentochter wie Gunhild? Wahrscheinlich würden die Bewerber ihrem Vater die Türen einrennen.
    »Und wenn Gunhilds Familie nicht wartet?«, gab Lucia zu bedenken. »Es geht mich ja nichts an, aber Ihr werdet Monate, vielleicht Jahre brauchen, um zunächst nach Sizilien, dann nach Skaane zu reiten! Zumal Ihr zwischendurch Turniere bestreiten müsst, oder wovon wollt Ihr leben? Was ist, wenn längst ein neuer Verlobter oder gar Ehemann gefunden ist? Wollt Ihr den dann auch ...?«
    »Um Himmels willen, schweigt still!«, flüsterte Bernhard. »Das hier war die grauenhafteste Tat, die ich je begangen habe. Ich werde niemals dafür sühnen können. Meine Ehre als Ritter ist für immer befleckt!«
    Lucia holte tief Luft.
    »Nun, wenn das so ist«, murmelte sie, »sollte es auf ein paar Flecken mehr oder weniger nicht so ankommen ...«
 
    Es wurde früher Morgen, als die Herzoginmutter Gunhild endlich die Erlaubnis gab, die Totenwache zu unterbrechen, um sich zu stärken. Das Mädchen war schon lange vorher zwischen den Nonnen eingedöst, die Ordensfrauen hatten sie zwar aufrecht gehalten, aber nicht zu weiteren Gebeten gezwungen.
    Nun taumelte sie in ihre Kemenate und schaute verwundert, als Lucia keine Trostworte, keine warme Milch und kein Bett für sie bereithielt, sondern nur ihren alten Reitmantel und einen mit Lebensmitteln gefüllten Korb.
    »Schnell, beeil dich! Wickle das Ding um dich, häng dir den Korb über den Arm, und geh ganz selbstverständlich durch die Küchenpforte. Du musst vor dem Wachwechsel hinaus, die Männer werden müde sein und keine Fragen stellen. Wenn doch, so bist du Marie, die Küchenmagd. Und im Korb sind Almosen für die Bettler. Die Herzogin hat dir aufgetragen, sie zu verteilen, im Gedenken an den Herrn Birger ... du weißt schon.«
    »Aber ich ...« Gunhild verstand nicht.
    »Dein Ritter wartet an der Isar auf dich. Mit einem zweiten Pferd, das haben wir alles geregelt. Ihr müsst nur zusehen, dass ihr so schnell wie möglich und so weit wie möglich fortkommt. In den nächsten Stunden wird dich niemand vermissen.« Lucia warf ihrer Freundin den Mantel über. »Ihr werdet nach Süden reiten. In ein paar Wochen seid ihr in Sizilien.«
    »Du meinst ...« Allmählich begriff Gunhild, und leichte Röte stieg in ihre blassen Wangen. »Er will mich entführen?«
    Lucia verdrehte die Augen. »So könnte man es nennen.«
    »Aber sie werden uns suchen! Und dann weiß jeder ... dann kann sich jeder denken ... Bisher ahnt doch niemand etwas von Bernhard und mir ...« Gunhild hatte noch Einwände, doch ihre Augen blitzten schon im Gedanken an das Abenteuer.
    »Herr Bernhard hat die Herzöge heute schon um Urlaub gebeten. Er hat seine Pflicht getan und für Herrn Birger die Totenwache gehalten, aber jetzt kann er die Blicke der Ritter nicht mehr ertragen. Wahrscheinlich wird er sich ein paar Monate in ein Kloster

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