Die Pestärztin
die Wunde auszubrennen und dann den Arm abzuschneiden. Aber was sollte das helfen? Das Übel sitzt ja in der Schulter. Und die Bader ... sagt selbst, das sind doch mehr Gaukler als Heiler!«
Dietmar nickte. »Aber es gibt einen neuen Medikus in Regensburg«, berichtete er dann. »Ich habe ihn noch nicht aufgesucht, aber die Ritter reden voller Respekt von ihm. Seine Standesgefährten allerdings nicht. Er soll sich schon mit sämtlichen Doktoren und Chirurgen der Gegend überworfen haben. Es heißt, sie wollten ihn gar verklagen! Wegen Überschreitung seiner Kompetenzen oder etwas in der Art.«
Lucia runzelte die Stirn. »Was tut er denn so Schreckliches?«, fragte sie dann, widerwillig interessiert. Sie hätte Dietmar jetzt wirklich energisch herauswerfen müssen.
»Er macht alles«, gab der Ritter Auskunft. »Er schneidet Furunkel auf wie ein Bader und amputiert Gliedmaßen wie ein Chirurg, aber häufiger rettet er sie, indem er Medizinen verordnet, Wunden reinigt und Umschläge anlegt. Es heißt, er erdreiste sich sogar, Frauen zu behandeln, die in den Wehen liegen!«
Die Hebammen dürften ihn also ebenfalls hassen. Lucia überlegte. Das klang zumindest nach einer interessanten Persönlichkeit.
»Und vor allem nimmt er den Kranken die Schmerzen!«, sprach Dietmar eifrig weiter. »Ja, ich weiß, das klingt wie Magie, und sie beschuldigen ihn ja auch der Hexerei. Aber ich habe mit Rittern gesprochen, die mir schworen, sie hätten nichts gespürt, wenn er ihnen Arme und Beine wieder einrenkte! Das macht er nämlich auch ...«
Lucia kam zu dem Ergebnis, dass man sich der Dienste dieses Medikus möglichst bald bedienen sollte. Auf Dauer würde er zweifellos auf dem Scheiterhaufen enden.
»Wisst Ihr denn, wie er heißt, mein Ritter?«, erkundigte sie sich.
»Das nicht, aber ich kann Euch sagen, wo Ihr ihn findet. Er hat vorerst Aufnahme im Benediktinerkloster gefunden. Der Abt von Sankt Emmeram ist ein Freigeist. Er hat seine eigenen Vorstellungen und setzt sie durch. Außerdem leidet er unter hartnäckigen Gelenkschmerzen, und dieser Arzt konnte ihm wohl Linderung verschaffen. Er wirkt Wunder, wie ich bereits sagte ...« Dietmar blickte seine Minneherrin beifallheischend an.
Lucia lächelte huldvoll. »Ich werde diesen Medikus aufsuchen«, versicherte sie. »Vielleicht kann er meinem Geliebten ja helfen.« Sie stand auf, um Dietmar nun endgültig zu verabschieden, und küsste ihn liebevoll auf beide Wangen. »Ihr habt mir sehr gut gedient, mein Herr Ritter«, sagte sie sanft. »Ihr habt mir besser gedient, als Ihr es mit Schwert und Schild je hättet tun können.«
Lucia konnte Elisabeths Rückkehr kaum abwarten. Auch die Herzogin hatte den Wirbel auf der Burg genutzt, sich eine Auszeit zu nehmen. Mit der Begründung, die Männer bei der Suche nach Gunhild zu beaufsichtigen, war sie gleich am Morgen auf ihr Pferd gestiegen, um nach Seligenthal zu reiten und Adrian wiederzusehen.
Doch sie kämpfte mit den Tränen, als sie zurückkam.
»Ach, Lucia, es geht ihm schlechter. Die Wunde hatte sich wieder geschlossen, aber vor drei Tagen brach sie erneut auf, und er hat Schmerzen und Fieber. Er hat es nicht einmal geschafft, sich zu meiner Begrüßung zu erheben. All seine Kraft hat ihn verlassen. Ich fürchte, er stirbt, Lucia. Und ich kann nicht mal an seinem Bett sitzen, wenn es zu Ende geht.«
Nicht einmal Lucias Bericht von dem neuen Medikus in Regensburg konnte der Herzogin Auftrieb geben.
»Wie sollen wir denn an den herankommen? Regensburg ist weit, mindestens einen Tagesritt. Bis dahin mag es für Adrian längst zu spät sein.« Elisabeth weinte jetzt wirklich. Sie stand kurz davor, völlig die Hoffnung zu verlieren.
Lucia hätte ihre Freundin am liebsten geschüttelt.
»Elisabeth, lass dir etwas einfallen! Wir müssen irgendeine Ausrede finden, in diese Gegend zu reisen. Was ist mit einer Wallfahrt? Gibt es da nicht irgendeinen Ort, an dem du für dein sündiges früheres Leben büßen willst? Oder deine Nonnen müssen dir helfen! Gibt es kein Zisterzienserinnenkloster in der Gegend, das du aufsuchen könntest, mit irgendeinem Auftrag der Äbtissin?«
»Die Äbtissin erteilt der Herzogin von Niederbayern keine Aufträge!«, sagte Elisabeth würdevoll.
Lucia lief aufgeregt im Zimmer herum. »Aber irgendeine Lösung müssen wir finden! Wenn dieser Arzt ihm wirklich helfen kann ...«
»Ich glaube nicht mehr an Ärzte«, flüsterte Elisabeth. »Ich habe es niemals wahrhaben wollen, aber vielleicht
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