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Die Pestärztin

Titel: Die Pestärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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liegt doch alles in Gottes Hand. Ich werde beten.«
    Beten nützt nichts, dachte Lucia.
 
    Lucias Herz klopfte heftig, als sie sich am Morgen des nächsten Tages die Stute der Herzogin satteln ließ. Die Stallburschen schauten sie dabei seltsam an, sicher auch wegen ihrer Kleidung: Obwohl es ein warmer Frühlingstag war, trug Lucia das dunkle, hochgeschlossene Kleid, das Elisabeth anzulegen pflegte, wenn sie die Pfandleihe des Zacharias Levin aufsuchte. Der Schleier lag jetzt noch über ihrer Schulter, aber nachher würde sie ihn über ihr Gesicht ziehen und sich völlig darunter verstecken. Dennoch war es ein Wagnis. Elisabeth war dünner und größer als Lucia; es würde nicht leicht sein, als ihre Vertreterin durchzukommen. Lucia tröstete sich damit, dass die Figur unter Mantel und Schleier kaum zu erkennen war. Die Körpergröße konnte sie aber auch mit Hilfe der Trippen, die sie unter die Schuhe schnallen wollte, sobald sie im Ort ankam, nur schwer ausgleichen. Nun war Zacharias Levin zum Glück halb blind ... Umso mehr würde sie aufpassen müssen, sich nicht durch ihre Stimme zu verraten!
    Lucia hatte obendrein ein schlechtes Gewissen, weil sie in Elisabeths Kammer geschlichen war und sich die Kleidung ohne Wissen der Freundin aus der Truhe genommen hatte. Alles wäre viel leichter gewesen, hätte Elisabeth sich selbst zu diesem Gang bereit erklärt. Aber das war hoffnungslos; die Herzogin war viel zu weich. Sie würde den Verhandlungen niemals gewachsen sein, würde niemals die Sicherheiten bekommen, die sie brauchte, damit Levin den Dienst wirklich ausführte, den sie zu erkaufen gedachte. Immerhin besaß Lucia das ideale Pfand für dieses Geschäft. Wolfram Fraunberger hatte ihr kostbare Ohrgehänge aus Gold und Edelsteinen zukommen lassen. Ein Verlobungsgeschenk - sie würde einiges zu erklären haben, wenn sie es zur Hochzeit nicht trug. Aber das war jetzt Nebensache.
    Lucia hatte es eilig. Sie wollte zurück sein, ehe die Herzoginmutter sie vermisste. Zum Glück hatte sich das Leben in den Frauengemächern noch längst nicht normalisiert. Die Herzöge und Frau Margarethe ließen immer noch Messen lesen, nun auch schon für Gunhild, von deren Tod in den Fluten der Isar man inzwischen ausging. Frau Margarethe verlangte von ihren Zöglingen, so vielen Andachten wie möglich beizuwohnen. Eine oder zwei von ihnen waren stets in der Kapelle; auch Lucia hatte diesen Dienst heute Nacht zähneknirschend abgeleistet. Nun hatte Margarethe sie zu Bett geschickt. Zwei oder drei Stunden lang würde niemand nach ihr fragen. Sie drückte dem Stallmeister ein paar Pfennige in die Hand, um sich seines Schweigens zu versichern. Auch Elisabeth pflegte das so zu handhaben. Der Mann war verschwiegen und ihr obendrein ergeben.
    »Weiß die Herzogin von Eurem Ausflug?«, fragte er jetzt besorgt, während er Lucia das Pferd vorführte.
    »Ich bin in ihren Angelegenheiten unterwegs«, meinte Lucia hoheitsvoll. »Stell keine Fragen, Mann, ich werde in wenigen Stunden zurück sein.«
 
    Die Schimmelstute lief rasch den Berg hinunter, und Lucia erreichte die Stadt schneller als geplant. Die Tore standen jedoch schon offen, auch die zum Judenviertel, die der Stadtwächter gern ein bisschen später öffnete, um die Hebräer zu ärgern.
    Lucia stellte das Pferd im Mietstall unter und befestigte die Trippen unter ihren Schuhen. Sie hatte sie vorher nie getragen; auf der Burg bestand selten die Notwendigkeit, das Schuhwerk vor Schlamm und Unrat zu schützen. Als Pflegetochter der Speyers in Mainz sowie als Nichte der Levins in Landshut hatte sie aber durchaus Erfahrung mit diesen stelzenhaften Holzsohlen, die ordentliche Bürger unterschnallten, wenn sie notgedrungen zu Fuß durch die Stadtstraßen wandern mussten. Sehr häufig - und nicht nur an Regentagen - stand nämlich eine dreckige, übelriechende Brühe in den Gassen, da viele Bürger ihre Nachtgeschirre entleerten, indem sie den Inhalt einfach durchs Fenster auf die Straße schütteten. Auch Schenken und Garküchen warfen ihre Abfälle oft einfach auf die Gassen vor ihren Häusern. Stadtluft mochte frei machen, aber sie roch nicht gut. Clemens hatte auch dies für die häufigen Seuchen verantwortlich gemacht. Lucia untersagte sich, an ihn zu denken. Sie hatte jetzt andere Sorgen, auch wenn sie sich ebenfalls um einen Arzt drehten.
    Mit klopfendem Herzen ging sie durch die vertrauten Straßen zwischen Mietstall und Pfandleihe. Der Laden war geöffnet. Lucia fragte sich, ob sie

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