Die Pestärztin
fand. Triumphierend förderte er einen scharfen Eisensplitter zutage.
»Da ist die Wurzel des Übels! Kein Wunder, dass sich das scharfkantige Ding nicht verkapselt hat. Es muss sich bei jeder Bewegung erneut in sein Fleisch gebohrt haben.«
»Meinst du, du hast alles?«, fragte Lucia und spähte in die nun stark vergrößerte Wunde.
Elisabeth weinte. Für sie war das entschieden zu viel Blut. Lucia hätte sie am liebsten hinausgeschickt.
»Wir spülen noch mal mit verdünntem Wein, aber es sieht nicht so aus, als wären da noch mehr Splitter. Wenn die Lanze darin abgebrochen wäre, und wir hätten es mit Holzsplittern zu tun, wäre das weitaus schlimmer. Ich nehme an, da ist wirklich nur die Lanzenspitze abgeplatzt. Sie wird beim Aufprall auf die Rüstung geborsten sein.« Clemens säuberte die Wunde sorgfältig.
Lucia prüfte Puls und Atmung des Schlafenden und zog die Schwämmchen ein wenig zurück.
»Er hält sich tapfer«, bemerkte sie.
Clemens lächelte ihr zu, während er Nahtmaterial aus Katzensehne auf eine Nadel zog und sich daranmachte, die Unterhaut zu vernähen. Das Material hielt nicht so gut wie Seidenfäden, aber die Tiersehnen würden sich später im Körper auflösen, wie er Lucia erklärt hatte.
»Er ist ein Ritter und gestärkt durch den Glauben ...« Lucia wusste nicht, ob ihr Geliebter sie neckte oder ob er die Worte ernsthaft sprach. Er legte die Hand an den Hals des Schlafenden und fühlte den Puls, bevor er mit der Arbeit fortfuhr.
Lucia nahm ihm die Nadel aus der Hand. »Jetzt lass mich mal machen, ich kann das schneller als du!«, sagte sie selbstbewusst. »Es mag mir am Glauben fehlen, aber meinem Meister habe ich damals abgenommen, dass er mich zur Hölle schickt, wenn meine Nähte nicht halten ...«
Clemens übernahm derweil die Kontrolle der Haschischschwämmchen und entfernte sie, als Lucia Seidenfaden aufzog und die Haut über der Wunde schloss.
Adrian kam langsam wieder zu sich, während sie die Wunde noch einmal wusch und Anstalten machte, die Salbe aufzustreichen, die Clemens aus verschimmeltem Brot zu bereiten pflegte.
Clemens reinigte derweil seine chirurgischen Instrumente und packte sie ein - keinen Augenblick zu früh, wie sich herausstellte.
Elisabeth, Lucia und Clemens fuhren zusammen, als die Schwester Apothekerin den Raum betrat.
»Ihr seid noch hier?«, fragte sie verwundert und blickte dann starr vor Schrecken auf Lucias saubere Hautnaht. »Barmherziger Himmel, Ihr ... Ihr habt ihn zugenäht?«, stieß sie hervor. »Ihr habt die Wunde einfach zugenäht, als ob Ihr einen Riss in einem Gewand stopft?«
»Nicht ganz so«, murmelte Lucia.
Die Nonne bekreuzigte sich. Aber sie war auch Medizinerin genug, um sich für Einzelheiten zu interessieren.
»Wie hat er das ausgehalten? Wir haben ihn nicht schreien gehört!«
»Er war bewusstlos«, erklärte Lucia.
»Er ist ein Ritter!«, sagte Elisabeth würdevoll.
Adrian öffnete die Augen. Er war noch benommen, schien die Welt aber wieder wahrzunehmen. Der Anblick der Schwester Apothekerin musste ihn davon überzeugen, bestimmt nicht im Himmel gelandet zu sein.
»Lucia arbeitet sehr schnell«, bemerkte Clemens. »Außerdem ist das Vernähen von Wunden eine sehr alte Technik, Ehrwürdige Schwester. Schon Galen erwähnt sie. Man betrieb es also bereits im alten Griechenland.«
»Im heidnischen Griechenland!«, sagte die Schwester streng.
»Und ich glaube, dass auch Hildegard von Bingen es irgendwo erwähnt«, behauptete Lucia. Tatsächlich hatte sie das Werk der Äbtissin nie gelesen. Schon die Erwähnung der Heilkraft von Steinen, an die Hildegard felsenfest glaubte, hatte Lucia davon überzeugt, hier nur gesammelten Aberglauben vor sich zu haben.
»Ach, wirklich? Und diese Salbe?« Die Apothekerin beugte sich über die Wunde.
»Ringelblumen!«, erklärte Lucia. »Hauptsächlich Ringelblumen.«
»Aber es sieht nicht nach Schweinefett aus ...?«
»Nein«, begann Clemens. »Wir nehmen eine andere Grundlage.«
Lucia blickte ihn beschwörend an und schüttelte leicht den Kopf. Die Sache mit den Schimmelpilzen behielt man der braven Kräuterkundlerin besser vor.
»Ich kann Euch übrigens gern zeigen, wie man solche Hautnähte anbringt«, bot Lucia der Schwester an. »Sie empfehlen sich auch bei kleinen Wunden, vor allem Platzwunden oder Schnitten. Der Heilungsprozess beschleunigt sich, und es bleiben weniger große Narben zurück.«
»Ich bin noch nicht davon überzeugt, dass dies hier heilt!«, meinte die
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