Die Pestärztin
und Packungen hinausging.
Die Ehrwürdige Mutter begrüßte die Herzogin, ihre Hofdame und den jungen Arzt nur kurz im Vorbeigehen.
»Viel geholfen habt Ihr Eurem Patienten bislang nicht, Medikus«, bemerkte sie knapp. »Im Gegenteil, der Ritter bat gestern um die Sterbesakramente. Er wünscht sich zudem, heute noch einmal dem Hochamt beizuwohnen. Wir haben ihn in die Kirche tragen lassen.«
Lucia verdrehte die Augen. »Hoffentlich haben sie ihm die Sakramente wenigstens gestern schon gegeben und warten damit nicht bis nach dem Hochamt!«, raunte sie Clemens zu. »Wir verlieren schon genug Zeit damit, dass er erst mal zurück in seine Kammer getragen werden muss!«
Clemens und Elisabeth hielten es allerdings für selbstverständlich, dass der Kranke noch einmal die Nähe zu seinem Gott suchte.
»Wenn er stirbt, hat er diese Nähe bald lange genug!«, bemerkte dagegen Lucia. »Das alles schwächt ihn nur unnötig vor der Operation!«
Clemens schüttelte nachlässig lächelnd den Kopf. »Du wirst nie eine gute Christin, Lucia«, rügte er sanft. »Und du hast Unrecht. Wenn er gläubig ist, wird die Messe ihm Kraft geben.«
Auch Clemens selbst gab seine Versenkung ins Gebet sicher nicht einfach nur vor. Lucia hatte ihren Liebsten noch nie in einer Kirche gesehen, aber offensichtlich bat auch er Gott um Kraft und Geschick für das vor ihm liegende Werk.
Lucia versuchte ebenfalls, inbrünstig um Beistand zu bitten, doch es wollte ihr nicht gelingen. Sie mochte christlich getauft sein, aber sie fühlte sich als Tochter Al Shifas. Am Ende versuchte sie es mit einer Sure aus dem Koran, gab es dann jedoch auf. Auch Al Shifas Gott hatte deren Gebete schließlich nie erhört.
Adrian von Rennes lehnte bleich und kraftlos auf seiner Trage, nur seine Lippen bewegten sich, als er auf die Gebete des Priesters antwortete. Elisabeth kniete neben ihm. Sie ließ sich zu deutlich anmerken, wie sehr er ihr am Herzen lag. Der Priester sah sie denn auch missbilligend an, als er zu dem Kranken trat, um ihm die Hostie zu bringen. Der junge Ritter erhielt die Sterbesakramente während der Messe.
Lucia erfüllte das alles mit Unruhe. Sie fand es fahrlässig - sowohl Adrians Ausflug in die Kirche als auch Elisabeths deutlich gezeigte Zuneigung. Hätte sie nicht wenigstens ihr Haar und ihr Gesicht verbergen können, wenn sie sich schon nicht vom Bett des Ritters lösen konnte? Wie leicht konnte sich ihre Fürsorge für Adrian herumsprechen! Natürlich wurden die Nonnen für ihr Schweigen bezahlt, aber den Seelsorger schloss das sicher nicht ein, und es fiel auch nicht unter sein Schweigegelübde.
Schließlich endete das Hochamt, und zwei Knechte trugen den völlig erschöpften Adrian zurück in seine Kammer. Elisabeth ging neben ihm her und hielt seine Hand. Wieder ein Wagnis, das sie nicht hätte eingehen dürfen. Auch die Knechte hatten Augen im Kopf und konnten sich Geschichten zusammenreimen.
»Nach Stärkung durch den Glauben sieht mir das aber nicht aus.« Lucias Spannung entlud sich in dieser sarkastischen Bemerkung. Sie hatte eben den Puls des Ritters gefühlt und befand, dass er zu schnell und zu flach ging. Auch seine Kurzatmigkeit und sein offensichtliches Fieber bereiteten ihr Sorgen. »Wir hätten ihm die Teilnahme am Gottesdienst nicht erlauben sollen.«
Clemens zuckte die Achseln. »Es stand nicht in deiner oder meiner Macht, ihn an irgendetwas zu hindern, meine kleine Heidin. Es liegt jetzt in Gottes Hand ...«
Es liegt in deiner Hand, dachte Lucia und fühlte sich dabei weitaus sicherer als bei ihrem versuchten Gebet in der Kirche. Und da Adrians Leben auch in ihrer Hand lag, konzentrierte sie sich jetzt darauf, die vorher eingeweichten Schwämmchen so in Adrians Nase zu platzieren, dass er genug von ihrem Wirkstoff aufnahm, ohne dabei zu ersticken.
Elisabeth hielt ihren Ritter im Arm und flüsterte Liebesschwüre. Sie schluchzte leise, als sein Körper erschlaffte.
Lucia überprüfte seinen Puls, während Clemens den ersten Schnitt vornahm. Er arbeitete schnell und präzise, und Lucia bewunderte erneut die zierlichen Instrumente aus Silber, vor allem das scharfe Skalpell.
»Ein Geschenk von meinem jüdischen Mentor«, erklärte Clemens. »Er hätte die Sachen lieber an einen Sohn weitergegeben, aber er hatte keine Kinder. Ich versuche seitdem, mich dieser Gabe würdig zu erweisen.«
Das tat er zweifellos, musste den Schnitt aber noch zweimal erweitern, bis er den Fremdkörper in Adrians Schulter endlich
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