Die Pestärztin
außer sich, als Lucia endlich in ihre Kemenate kam und ihr Ausbleiben erklärte. »Ich war mir sicher, er sei gestorben«, schluchzte sie. »Ich habe gewartet und gebetet, und dann wollte Frau Margarethe, dass ich den Mädchen beim Sticken vorlese. Ich hoffte auf ein wenig Zerstreuung, aber die Suche der Ritter nach dem Gral in der Erzählung konnte mich nicht fesseln. Obwohl der Gral ja alle Krankheiten heilen soll ...«
»Bloß, dass ihn noch keiner gefunden hat, genau so wenig wie den Stein der Weisen«, meinte Lucia. Sie war todmüde und nicht in der Stimmung, ihre Freundin zu trösten. »Dein Ritter jedenfalls ist noch schwach, aber auf dem Wege der Besserung. Er wird sicher auch diese Nacht nicht sterben. Du kannst ihn getrost Clemens' und meiner Pflege überlassen.«
Elisabeth schüttelte heftig den Kopf. »Morgen reite ich wieder mit!«, erklärte sie. »Ich halte es hier nicht aus, ich muss bei ihm sein. Er braucht mich auch! Sag, hat er nicht nach mir gefragt?«
Lucia musste zugeben, dass Adrian oft nach Elisabeth fragte.
Und als sie am nächsten Tag wieder an seinem Krankenbett erschien, beruhigte er sich unter ihren Händen schneller und ertrug die Schmerzen beim Verbandwechsel geduldiger, wenn er dabei in ihren Armen lag. Es ging ihm nach wie vor ziemlich schlecht, und Elisabeth schaute denn auch ein wenig vorwurfsvoll: Lucias aufmunternde Berichte von gestern waren übertrieben gewesen. Adrians Fieber war wieder gestiegen, die Schulter bis in den Arm hinein geschwollen und heiß.
Clemens legte Salbe auf, und Lucia brachte großflächig Packungen mit altem Wein an. Elisabeth drängte ihm Tee auf.
»Er muss viel trinken, und der Aufguss hilft auch gegen das Fieber«, erklärte Clemens. Trotz des augenscheinlichen Verfalls des Kranken war er nicht unzufrieden.
»Die Wunde sieht gut aus. Das Fieber und die Schwellungen liegen im Bereich des Normalen. Seine Schwäche gefällt mir nicht, aber die Wundheilung als solche verläuft gut.«
Adrian überwand seine Schwäche zusehends in Elisabeths Armen. Sie gab ihm deutlich Auftrieb - sehr viel mehr als das Gebet der Nonnen, das die Schwester Apothekerin an seinem Bett organisierte.
Lucia gefiel Letzteres wieder einmal gar nicht. Bislang hatten wahrscheinlich nur die Oberin, die Leiterin des Gästehauses und die Schwester Apothekerin von Elisabeths besonderer Beziehung zu ihrem Ritter gewusst. Jetzt aber gab es immer mehr Schwestern und Hausangestellte, die Adrian in ihren Armen sahen.
Elisabeth verhielt sich fahrlässig, ja leichtsinnig. Ihre Angst um den Geliebten ließ sie jede Vorsicht vergessen. Auch die Ausreden, die sie nannte, um jeden Tag zum Kloster zu reiten, waren bestenfalls tollkühn zu nennen. Zum Glück fragte Herzog Stephan kaum nach, wenn seine Frau mit ihrer Hofdame Ausritte unternahm. Lucia hatte zumindest durchgesetzt, dass Elisabeth nicht gemeinsam mit ihr und Clemens die Burg verließ, sondern erst nach der Morgenmesse. Während Clemens gleich bei Morgengrauen fortritt, brachen die Frauen erst auf, nachdem sie die Andacht im Kreise von Frau Margarethe und ihrer Mädchen absolviert hatten. Dennoch spürte die Herzoginmutter, dass etwas nicht mit rechten Dingen zuging. Und wenn sie irgendwie dahinterkäme, was vorging, würde sie es dem Herzog mit Wonne verraten!
Deshalb beschwor Lucia ihre Freundin, zu Hause zu bleiben oder doch zumindest auf ein Treffen mit Adrian zu verzichten, als Frau Margarethe in der Woche darauf einen gemeinsamen Besuch im Kloster ansetzte. Ihre Mädchen hatten wochenlang fleißig gestickt, und auch neues Silber für die Klosterkapelle war eingetroffen. Das alles sollte in Seligenthal abgeliefert werden.
»Nimm dich um Himmels willen zusammen, und weiche deiner Schwiegermutter an diesem Tag nicht von der Seite!«, wies Lucia Elisabeth an. »Am besten reiten wir gar nicht erst mit. Das nimmt Frau Margarethe uns dann zwar übel, aber besser Übelnehmen als Argwöhnen!«
Elisabeth blickte sie an, als wäre sie nicht bei Trost. »Aber auf eine solche Gelegenheit kann ich doch nicht verzichten! Endlich wieder einmal hinreiten, ohne eine Ausrede erfinden zu müssen! Wir werden wieder zur Terz da sein, und ich verschwinde, während die anderen beten. Das hat bisher immer geklappt. Warum sollte es nicht auch heute gut gehen?«
Lucia hätte sie am liebsten geschüttelt. »Weil Margarethe ahnt, dass du etwas verbirgst! Weil die Nonnen böse auf uns sind. Wir handeln ihnen zu eigenmächtig. Sie argwöhnen, dass
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