Die Pestärztin
Margarethe nahm sich ihre Söhne vor, und Oettinger und Fraunberger trösteten sich mit dem besten Wein des Hauses, den ihnen der Mundschenk in eindeutig beschwichtigender Absicht kredenzte.
Lucia zitterte, als Clemens sie zurück in ihre Gemächer führte.
Er gab auch ihr Wein, den sie durstig trank.
»Damit bist du mir endgültig und auf ewig verbunden«, sagte sie lächelnd, aber nach wie vor ein wenig zittrig. »Wollen wir ... wollen wir jetzt die Sache mit dem Schwamm noch einmal durchgehen, oder soll ich die Naht noch mal üben? Oder wollen wir lieber nachsehen, ob Ar-Rasi vielleicht etwas über Operationen schreibt, das ...«
Clemens schüttelte den Kopf und küsste sie.
»Nichts dergleichen.« Mit geschickten Fingern zog er den glänzenden Goldreif aus ihrem Haar. »Wir sollten vor der Segnung durch den Hofkaplan sicherheitshalber noch mal die Ehe vollziehen ...«
Clemens und Lucia verabschiedeten sich früh von dem Bankett, das der Herzog zu ihren Ehren gab. Die äußerst schlecht gelaunte Herzogin Margarethe erlaubte ihren Mädchen gerade mal, sich satt zu essen, bevor sie ihre Zöglinge in die Kemenaten zurückbeorderte, und auch Elisabeth täuschte Müdigkeit vor. Lucia betrachtete sie besorgt und voller Mitgefühl. In der Nacht vor Adrians Operation würde sie kaum viel schlafen.
Auf ihren Anblick am nächsten Morgen war Lucia allerdings nicht vorbereitet. Um das Kloster Seligenthal pünktlich zum Hochamt zu erreichen, mussten sie früh aufbrechen, doch als sie sich bei Sonnenaufgang im Stall trafen, wirkte Elisabeths Gesicht nicht bloß übernächtigt - es war zerschlagen. Sie versuchte, es hinter einem leichten Schleier zu verbergen, doch Lucia bemerkte sofort die aufgeschlagenen Lippen und die blutunterlaufenen, fast zugeschwollenen Augen.
»Der Herzog?«, fragte sie leise.
Elisabeth nickte. Sie hinkte auch und schaffte es nur mit Clemens' Hilfe, auf ihr Pferd zu steigen.
»Stephan ist im Grunde kein schlechter Kerl«, meinte sie erklären zu müssen, als die drei den Hofberg hinabritten. »Aber ihm wächst alles über den Kopf. Die Verstimmungen zwischen ihm und seinen Brüdern, die Adligen hier in Bayern und erst recht die in den Niederlanden, die ständig irgendwelche Beschwerden haben, dazu Frau Margarethes Quertreibereien ... Und jetzt auch noch der Ärger mit dem Oettinger. Als alle so richtig betrunken waren, ist es gestern wohl noch zu ein paar unschönen Auftritten gekommen. Nun wollen sie ja endlich in Verhandlungen über diesen Teilungsvertrag eintreten. Das hätte längst geschehen müssen! Diese vielen Ländereien, die zum Teil Hunderte von Meilen auseinanderliegen und die drei Männer zu gleichen Teilen beherrschen sollen ... so ist das doch unregierbar ...«
»Mag ja sein«, bemerkte Lucia. »Aber das ist kein Grund, seine Frau zusammenzuschlagen. Womit sollst du ihn denn diesmal erzürnt haben?«
Elisabeth zuckte die Schultern und fuhr dabei schmerzhaft zusammen. »Mein Einsatz für deinen Gatten. Ich hätte mich wieder mal unschicklich verhalten. Als Frau hätte ich in Gesellschaft der Ritter zu schweigen.«
»Frau Margarethe hat ganz schön den Mund aufgetan«, meinte Lucia. »Aber das hat ihm sicher auch nicht gefallen.«
Elisabeth versuchte ein Lächeln. »Die konnte er nur nicht dafür züchtigen ...«
Clemens beteiligte sich nicht an der Unterhaltung. Lucia wusste, dass er die bevorstehende Operation immer wieder in Gedanken durchging; sie hoffte nur, dass sie ihn dabei nicht enttäuschte. Der Umgang mit den haschischgetränkten Schwämmchen war nicht einfach: Das Mittel musste genau dosiert werden, um den Patienten zwar bewusstlos zu halten, sein Herz aber nicht zum Stillstand kommen zu lassen. Lucia hätte das lieber an robusteren Patienten geübt als gleich mit Elisabeths schwerkrankem Ritter. Clemens meinte, das Risiko bei sonst relativ gesunden Menschen sei nicht allzu groß. Er hatte schon Amputationen durchgeführt und den Schlaf der Patienten dabei selbst überwacht. Bei Adrian befürchtete er jedoch das Schlimmste. Sowohl Clemens als auch Lucia würden ihr ganzes Geschick und Gefühl und obendrein sehr viel Glück brauchen, um die Sache zu einem guten Ende zu bringen.
Die Reiter kamen zeitgleich mit dem Priester, der das Hochamt halten sollte, im Kloster an. Zu längeren Vorgesprächen mit der Oberin war diesmal keine Zeit. Elisabeth hatte die Nonnen auch nicht davon in Kenntnis gesetzt, dass Clemens eine Behandlung plante, die über Einreibungen
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