Die Pestärztin
die Schwester Apothekerin bitten, die notwendigen Untersuchungen vorzunehmen.«
Während der Mann sich zu Clemens begab, trat Lucia an das Lager der Ordensfrau. Wie erwartet schlief sie tief - sie lag zwar auf dem Boden, hatte es aber nicht mehr geschafft, das Feuer zu löschen. Jetzt würde sich zeigen, ob Lucia das Opium richtig dosiert hatte. Die Nonne sollte auf die Beine kommen, aber nicht voll zu Verstand.
Lucia musste sie tatsächlich schütteln, bis sie endlich Lebenszeichen von sich gab.
»Die Herzogin«, sagte Lucia ruhig, »ist soeben von uns gegangen. Wir sollten damit beginnen, sie zu waschen und aufzubahren. Ich habe außerdem den Medikus gebeten, ihren Tod zu bestätigen.«
»Aber das kann ich doch ...« Die Stimme der Schwester klang unsicher und schleppend. Aber immerhin richtete sie sich auf.
»Der Herzog könnte trotzdem Wert darauf legen, es von einem Medikus zu hören. Er hat seine Frau sehr geliebt. Trotz allem. Ihr Tod wird ihm das Herz brechen. Ich möchte keine Fehler machen.«
Lucia registrierte dankbar, dass die Schwester ihre salbungsvollen Worte hinnahm, ohne ihr auch nur einen fragenden Blick zu schenken. Sie konnte nicht wirklich an die tiefe Liebe zwischen Stephan und Elisabeth glauben. Doch Lucias Rechnung ging auf. Die Schwester Apothekerin mochte sich in der Wirklichkeit bewegen, aber tatsächlich befand sie sich in ihrer eigenen Welt des Opiumrausches.
Dennoch ging Lucia kein Risiko ein und entfernte kurz die Schwämmchen aus Elisabeths Nase, als die Nonne sie untersuchte.
»Kein Puls«, bestätigte die Schwester Apothekerin schließlich. Lucia fiel ein Stein vom Herzen. »Und kein Atem. Lasst uns für sie beten ...«
Die Schwester kniete vor dem Bett nieder und schien dabei schon wieder in Halbschlaf zu versinken.
Fast gleichzeitig mit Clemens erschien Frau Margarethe. Sie hatte die Nacht pflichtschuldig in der Kapelle beim Gebet verbracht und stündlich auf die Nachricht von Elisabeths Tod gewartet.
Nun beobachtete sie misstrauisch, wie der sichtlich angespannte Clemens die »Leiche« untersuchte. Die Schwester Apothekerin betete derweil laut. Frau Margarethes Erscheinen hatte ihre Lebensgeister wieder geweckt, doch die Sterbegebete hatte sie wohl schon mehr als einmal bei Nachtwachen im Halbschlaf gemurmelt.
»Was ist das?«, fragte sie, als Clemens die Schwämmchen in Elisabeths Nase kurz anhob.
»Baumwolle«, antwortete der Medikus geschäftsmäßig. »Getränkt mit wohlriechenden Essenzen. Man verschließt damit die Körperöffnungen der Toten, um üble Gerüche zu vermeiden, aber auch, um die Gesunden vor Ansteckung zu bewahren. Gerade bei Verstorbenen wie der Herzogin, die am Bluthusten oder anderen, manchmal ansteckenden Krankheiten litten. Es muss in diesem Fall auch davor gewarnt werden, die Verwandten dazu anzuhalten, den Verstorbenen zum Abschied zu küssen.«
Frau Margarethe zog sich sofort ein gehöriges Stück vom Bett zurück. »Ich werde es meinem Stiefsohn weitergeben«, erklärte sie. »Er wird sicher schon warten. Und ich habe auch bereits nach Seligenthal schicken lassen. Sie senden eine Abordnung von Nonnen, um sie aufzubahren.«
Clemens nickte ernst. »Wenn Ihr mir noch einen Hinweis erlaubt, würde ich gerade bei dieser Erkrankung darauf achten, dass es bald geschieht. Je eher die Verstorbene gewaschen und zur Bestattung hergerichtet ist, desto geringer ist die Gefahr für die Trauernden.«
Die Herzoginmutter warf der Schwester Apothekerin einen unwilligen Blick zu.
»Warum habt Ihr uns nicht vor Ansteckung gewarnt?«, fragte sie scharf. »Ich habe ihr vorhin noch den Versöhnungskuss gewährt, um den sie bat. Ihr hättet mich auf die Gefahren hinweisen müssen!«
Die Schwester war sichtlich verwirrt. »Es ... es liegt alles in Gottes Hand ... «, murmelte sie dann.
Die Herzogin schnaubte. »Wir hätten Euch früher hinzuziehen sollen!«, sagte sie zu Clemens.
Der zuckte die Schultern. »Wie die Ehrwürdige Schwester sagt, es liegt alles in Gottes Hand. Auch ich hätte hier nicht viel mehr tun können. Was Eure Sicherheit angeht, so würde ich Euch raten, Euch so bald wie möglich in ein Badehaus zu begeben und gründlich zu schwitzen. Wenn Ihr Gott anschließend inbrünstig darum bittet, Euch zu verschonen, sollte es Euch gewährt werden.«
Die Herzoginmutter stand fahrig auf. Ihr war deutlich anzusehen, dass sie die Badewärterinnen gleich jetzt aus dem Schlaf scheuchen würde. Lucia baute sich vor ihr auf und verbeugte sich demütig.
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