Die Pestärztin
als Moses Kahlbach ins Haus des jüdischen Arztes kam und Clemens zwischen zwei Patienten zu sprechen wünschte.
Clemens empfing ihn mit einem Lächeln. Er wusste bereits, worum es ging. Lucia hatte einen Boten geschickt.
»Die Herzöge von Niederbayern-Straubing haben der letzten Bittpetition >ihrer Juden< um eine Lockerung der Bestimmungen über das Zusammenleben zwischen Hebräern und Christen entsprochen«, erklärte Kahlbach ungläubig. »Wir haben es eben schriftlich erhalten. Der Haushofmeister hat es persönlich vorbeigebracht. Ich weiß nicht, wie Ihr das gemacht habt, Medikus, aber wir sind Euch zu großem Dank verpflichtet.«
Clemens verbeugte sich leicht. »Ich habe es gern für Euch getan, aber ich darf Euch die Gründe für die Sinnesänderung der Herzöge nicht nennen. Werdet Ihr mir nun auch den Gefallen tun, um den ich Euch bat?«
Kahlbach nickte. »Deshalb bin ich hier. In sieben Tagen, von heute an, oder auch in einer anderen Nacht, ganz wie Ihr es wünscht, werden Euch zwei Männer und ein Fuhrwerk zur Verfügung stehen. Ich kann nur beten, dass alles gut geht.«
Clemens nickte. »Darum beten wir alle. Wir werden jedenfalls unser Bestes tun.«
Lucia hoffte, dass Elisabeth die Botschaft verstand, die sie ihr durch Anna ausrichten ließ. Es sei alles bereit, ließ sie bestellen, um im Kloster Seligenthal darum zu beten, dass der Tod sie diesmal noch verschonen werde.
»Wir lassen besondere Kerzen ziehen und veranstalten eine kleine Bittprozession«, erklärte Lucia der Kammerfrau. Sie hatte dies alles - mit widerwilliger Unterstützung der Herzogin Margarethe - tatsächlich organisiert. Anna sollte schließlich nicht argwöhnisch werden.
Elisabeths Zustand verschlechterte sich daraufhin umgehend. Sie hustete und schien zu fiebern. Die rasch herbeigerufene Schwester Apothekerin aus Seligenthal stellte allerdings eher Untertemperatur fest, fand das sehr bedenklich und verordnete einen Aderlass zum kommenden Neumond.
»Deine Freundin sollte besser vorher sterben«, meinte Clemens besorgt. »Es schwächt das Herz, wenn sie ihr zu viel Blut abnimmt.«
Lucia nickte bedrückt. Auch sie brannte darauf, ihren Plan endlich in die Tat umzusetzen. Aber noch hatte man ihr nicht erlaubt, Elisabeth zu besuchen. Wenn der Herzog sich weiterhin stur stellte, sah sie schwarz für die ganze Rettungsaktion.
Aber dann hustete Elisabeth angeblich Blut, wand sich im Fieber und schien im Sterben zu liegen. Die Schwester Apothekerin persönlich bat den Herzog, ihren letzten Wunsch zu erfüllen und ihre Freundinnen an ihr Bett zu rufen. Sie wünsche auch ihren Schmuck zu verschenken und ihre Angelegenheiten zu regeln, ehe sie vor ihren Schöpfer trat.
Lucia, Frau Margarethe und ihre Zöglinge warteten vor Elisabeths Zimmer, als der Priester ihr die Sterbesakramente erteilte.
»Es geht zu Ende«, erklärte der Geistliche ernst, als er die Frauen hereinbat.
Elisabeth kämpfte eben mit einem weiteren Hustenanfall. Verblüfft sah Lucia tatsächlich Blutspuren auf dem Leinentuch, das die Schwester Apothekerin ihr vor den Mund hielt. Sie bewunderte den Mut der Freundin: Elisabeth musste sich auf die Zunge gebissen und ernstlich verletzt haben.
Das erklärte auch ihre schwache Stimme und die undeutliche Aussprache.
»Strengt sie nicht zu sehr an!«, mahnte die Schwester und wollte aus dem Zimmer, was Frau Margarethe nicht wenig verschreckte. Lucia hatte sie richtig eingeschätzt. Krankheit, Siechtum und Tod machten ihr Angst. Sie würde sich bestimmt nicht darum reißen, bei der Waschung der Leiche dabei zu sein.
Aber auch Elisabeth bat die Schwester mit schwacher Stimme zu bleiben. Sie wollte auch das Kloster mit einem Nachlass bedenken, erklärte sie.
Während der Priester bei ihr war, hatte Anna ihren Weisungen gemäß ihre Schatztruhe herbeigeholt und nahm die Schmuckstücke und Kleider eins um das andere heraus, damit die Sterbende alles verteilen konnte.
Elisabeth übergab zunächst ein paar Silberschalen, Pokale, Teller und Leuchter für das Kloster, wobei sie bestimmt darauf hoffte, dass die Schwester ihren Goldwert nicht einschätzen konnte. Lucia erkannte die Stücke als zwar hübsch, aber minderwertig. Deshalb waren sie vermutlich noch nicht in der Pfandleihe des Zacharias Levin gelandet.
Frau Margarethe erhielt Elisabeths Siegelring. Die junge Herzogin übergab ihn mit einer bewegenden, immer wieder von Hustenanfällen unterbrochenen Rede, in der sie um Vergebung für all die kleinen
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