Die Pestärztin
sicher nicht ablösen. Natürlich hätten beide Elisabeths Zustand gern weiter überwacht. Bislang hatte Lucia immer wieder ihren Puls gefühlt. In den nächsten Stunden jedoch musste es genügen, wenn Clemens auf die Anzeichen frühzeitigen Erwachens achtete.
Lucia erneuerte die Schwämmchen ein weiteres Mal, als sie den Nonnen half, die Herzogin in einen offenen Sarg zu betten. Den hoben dann sechs Ritter auf ein Pferdefuhrwerk. Der Transport der Toten ins Kloster gestaltete sich zum Trauerzug. Das Volk stand am Weg und erwies der Herzogin die letzte Ehre. Elisabeth war beliebt gewesen. Die Menschen hatten sich für ihre Schönheit begeistert, und ihre Großzügigkeit war in aller Munde. Die reiche sizilianische Prinzessin hatte auch mit Geschenken nicht gespart, als Stephan sie als Gattin ins Land gebracht hatte. Entsprechend begeistert hatte man sie empfangen.
Nun säumten die Trauernden die Straße zum Kloster, und Lucia hörte ihre verwunderten Ausrufe, wie schön die Herzogin noch im Tod sei. Fast könne man meinen, sie schlafe nur!
Den Nonnen war das zum Glück nicht aufgefallen. Sie waren wohl selbst zu übernächtigt, um irgendetwas zu bemerken.
Lucia ritt neben der kleinen Agnes hinter den Herzögen und Frau Margarethe her, und auch Elisabeths Söhne folgten dem Fuhrwerk mit der Toten. Lucia hoffte dabei nur, die Sache schnell hinter sich zu bringen. Der Weg war alles andere als gepflegt, der Wagen polterte von einem Schlagloch ins andere, und sie befürchtete, Elisabeth könnte darüber wach werden.
Aber dann war es endlich geschafft. Die Herzogin wurde in der Klosterkirche erneut aufgebahrt, und die unvermeidlichen Totenmessen setzten wieder ein. Schließlich schloss man den Sarg. Weitere Messen folgten.
Lucia saß dabei wie auf heißen Kohlen. Sie hatte die Schwämmchen seit der Terz nicht erneuern können. Elisabeth musste in den nächsten Stunden wach werden. Und die Bestattung fand erst am Ende der Complet statt, der letzten Andacht des Tages!
Immerhin hatten Totengräber und Steinmetz schnell gearbeitet. Das Grab in Elisabeths Kapelle war bereits ausgehoben und mit Steinen ausgekleidet. Außerdem war eine Platte angeliefert worden, um es vorläufig zu bedecken. Später würde man den schlichten Stein durch Marmor ersetzen und den Grabstein verzieren. Für die Retter in der Nacht bedeutete dies, den Sarg aufs Sorgfältigste wieder zu verschließen und zu versiegeln. Schließlich würde er bei Erneuerung der Platte wieder in Sicht kommen.
Die Stunden vergingen, und endlich sprach der Priester auch die letzten Worte der Abendandacht. Lucias Nerven waren inzwischen in hellem Aufruhr. Als man Elisabeths Sarg vom Sockel hob und in die Grube senkte, erwartete sie jeden Moment, Schreie und Kratzgeräusche von innen zu hören. Sie konnte nur hoffen, dass ihre Freundin da drinnen Luft bekam! Der Sarg war aus Stein, ein antiker Sarkophag. Wenn er hermetisch abschloss, würde Elisabeth ersticken.
Dann endlich senkte sich auch die Steinplatte über das Grab. Der Priester sprach die letzten Gebete, und die Nonnen und Gläubigen verließen die Kirche. Der Herzog, die Kinder und Frau Margarethe würden in dieser Nacht nicht auf die Landshuter Burg zurückreiten. Der gesamte Hof logierte im Gästehaus. Also gab es immer noch viel zu tun für die Nonnen, und das sicher lange Zeit, bis das Kloster zur Ruhe kam! Clemens und Adrian planten die Rettungsaktion zwischen Mitternacht und zwei Uhr morgens. Später durfte es nicht werden, denn um diese Zeit begann die Vigil, die erste Morgenandacht der Schwestern.
Lucia hatte also ein paar Stunden Ruhe und fiel zu Tode erschöpft auf die Pritsche in der kleinen Zelle, die man ihr zugewiesen hatte. Sie fand dann aber lange keinen Schlaf, sondern wurde von einer grauenvollen Vorstellung nach der anderen heimgesucht. Elisabeth, die in ihrem Grab verzweifelt weinte und schrie ... Elisabeth, qualvoll erstickt in der Enge des Sarges ...
Schließlich döste sie doch ein, fuhr dann aber aus furchtbaren Träumen, als es zwölf schlug.
Sie musste jetzt herunter und den Helfern die Pforte öffnen, durch die gewöhnlich der Priester das Kloster betrat. Lucia hatte dieses Türchen durch Zufall entdeckt, als sie Adrian mit Elisabeth besucht hatte. Es erschien ihr eine interessante Alternative zum gewöhnlichen Weg ins Kloster. Vielleicht konnte Elisabeth damit ja der ständigen Aufsicht durch die Oberin und die anderen Schwestern entgehen und ihren Ritter auch heimlich
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