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Die Pestärztin

Titel: Die Pestärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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Trage ergriff. Meister Hermann sah allerdings alles andere als gesund aus. Seine Haut war grau, sein Gesicht wirkte erschöpft. Lucia hoffte sehr, hier nicht die ersten Anzeichen der Krankheit vor sich zu haben.
    Die Männer trugen verschiedene Heiligenfiguren, allen voran natürlich St. Rochus und St. Blasius, um den Dom herum und dann die Schusterstraße entlang. Frauen und Kinder folgten singend und betend, und zwischendurch reihte sich sogar ein Trupp Geißler ein, obwohl der Bischof die Selbstkasteiung zur Buße verboten hatte. Immerhin war es hier kein fahrendes Volk, das sich im Takt der Gesänge mit Geißeln den Rücken zerfleischte, sondern brave Mainzer Bürger und einige Mönche. Das Volk jubelte ihnen zu, während es die umherziehenden »Flagellanten« eher fürchtete.
    »Ein einziger Unsinn!«, sagte trotzdem eine Stimme neben Lucia. Die Worte klangen erstickt, denn die junge Frau hatte die Kapuze ihres Mantels trotz der Hitze tief ins Gesicht gezogen und hielt sich obendrein ein Tuch vor Mund und Nase. »Eine Beleidigung des Ewigen, der uns den Körper als schützenswertes Gut gegeben hat.«
    Lucia erkannte die Sprecherin und hätte am liebsten aufgeschrien. Aber Lea hatte sich vorsichtig neben sie geschlichen und hielt nun eine Falte ihres Kleides sorglich vor die Judenringe auf ihrem Mantel. Sie durfte die Freundin auf keinen Fall verraten!
    »Was machst du denn hier?«, fragte Lucia entsetzt. »Du solltest nicht ...«
    »Der Bischof hat >seine Juden< angehalten, bei der Prozession dabei zu sein«, bemerkte Lea. »Und das kommt natürlich einer Vorladung gleich. Er meint, wenn wir auf diese Art am Stadtleben teilhätten, würde man die Schuld für die Seuche nicht mehr bei uns suchen. Freilich werden sich dabei auch viele von uns die Seuche holen. Aber besser an der Pest sterben als unter den Messern eines wütenden Mobs. Meint zumindest der Vorsteher der Gemeinde.«
    Der Gemeindevorsteher, gemeinhin »Judenbischof« genannt, war ein ausgleichender Mann, der es gern jedem recht machte.
    »Aber nun erzähl, Lucia, wie geht es dir? Als ich dich sah, habe ich mich gleich wegtreiben lassen. Mutter wird außer sich sein vor Sorge!« Lea plapperte fröhlich drauflos, was im allgemeinen Lärm der Prozession aber gar nicht auffiel. Die meisten Menschen sangen, und auch Lucia versuchte, ihre kurzen Antworten in Bittgesänge einfließen zu lassen. Sehr schwierig war das nicht; man verstand schließlich ohnehin kaum sein eigenes Wort, und Agnes neben ihr hatte darüber hinaus nur Augen für Johann unter seiner Heiligenstatue. Sie hatte schon mehrmals angemerkt, wie schmuck ihr Gatte aussähe, und schien darüber mit der Prozession und den Gefahren versöhnt. Und Bonifaz an ihrer Hand schaute nur mit großen Augen in das Menschengewirr.
    Dennoch traute sich Lucia nur einsilbige Antworten auf Leas Fragen zu geben, worauf diese die Sache bald leid wurde und lieber von sich und ihrer Familie erzählte. Esra hatte seine Rebecca geheiratet und war ebenso glücklich mit ihr wie Lea mit ihrem Juda. Begeistert berichtete Lea von den Freuden ihrer Ehe - und Lucia musste sie immer wieder mahnen, nicht allzu laut zu reden. Die wirkliche Sensation war jedoch ihre Schwangerschaft.
    »Man sieht es noch nicht«, erklärte Lea, »vor allem nicht unter dem weiten Umhang. Aber es ist sicher, ich werde ein Kindchen haben! Kannst du dir das vorstellen, Lucia? Ich freue mich so!«
    Lucia versuchte, sich mit ihr zu freuen, aber so ganz schaffte sie es nicht. Ihr altes Leben bei den Speyers war so weit weg, und der Bruch hatte sich vollständig vollzogen ... Sie würde Lea nie wieder so nahe sein wie zuvor; wirkliche Gefühle hegte sie nur noch für Al Shifa.
    »Und sicher möchtest du wissen, was David macht!«, meinte Lea beinahe verschwörerisch.
    Lucia vergaß alle Vorsicht und wandte sich brüsk zu ihr um.
    »Nein, möchte ich nicht. David interessiert mich nicht. Und du gehst jetzt auch besser zu den deinen. Die Juden haben doch ihren eigenen Block. Wenn man dich hier erwischt ...«
    Lea schaute sie an wie ein geprügeltes Hündchen; dann drehte sie ab.
    »Er lässt sagen, dass es ihm leidtut ...«, bemerkte sie noch, ehe sie wieder in der Menge verschwand. »Er hat dich doch so geliebt ...«
    So reibungslos wie die Trennung vom Judenblock funktionierte Leas Rückkehr allerdings nicht. Ein paar Schritte von Lucia und Agnes entfernt entdeckten mehrere Männer die gelben Ringe auf Leas Kleidung und hielten sie auf. Offensichtlich

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