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Die Pestärztin

Titel: Die Pestärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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schmerzt ebenfalls, ich ...«
    Agnes hielt sich bis zum Nachmittag auf den Beinen. Dann brach sie zusammen, als in Johanns Leistengegend die ersten Beulen erschienen. Lucia brachte Agnes ins Bett und sah nach Bonifaz. Der kleine Junge wiegte besorgt das Neugeborene.
    »Die Fygen atmet so schwer ...«
    Lucia spürte, wie ihr Herz sich zusammenkrampfte. Sie dachte an das jüngste Kind der Küferin. Säuglinge starben immer zuerst, meist bevor sich auch nur Pestbeulen bildeten. In Panik warf Lucia ihren Mantel über.
    »Ich gehe zu den Karmeliterinnen, Bonifaz. Zum Heilig-Geist-Spital. Und zur Apotheke. Es muss etwas geben ...!«
 
    Lucia eilte durch die hitzegeschwängerte, spätnachmittägliche Stadt. Sie passierte den Totenkarren, der inzwischen zweimal täglich die Runde machte, und kam an einer Gruppe betrunkener Zecher sowie an einer Nonne vorüber, die sich beim Anblick der Männer bekreuzigte.
    Lucia empfand sie als Antwort auf ihre Gebete. »Könnt Ihr mir helfen, Mutter? Das Kind ist krank.«
    Die Schwester blieb stehen und warf einen todmüden Blick auf die kleine Fygen. Dann machte sie das Kreuzzeichen auf ihrer Stirn.
    »Such einen Priester, Mädchen, der ihm das Sakrament gibt. Und wenn nicht, so bete selbst. Getauft wird dein Kind ja sein, und solch kleines Ding häuft noch keine Sünden an. Heute Abend werden die Engel es im Paradiese wiegen ... « Damit eilte die Schwester weiter, zweifellos ins nächste Pesthaus.
    Lucia drückte Fygen an sich.
    Auf keinen Fall würde sie aufgeben! Fygen sollte nicht sterben. Es musste etwas geben ...
    Lucia änderte die Richtung. Die Domapotheke? Oder die Apotheke bei der Gotthardkapelle? Schließlich entschied sie sich für letztere. Die Gotthardkapelle gehörte zum Komplex des Heilig-Geist-Spitals. Vielleicht konnte sie ja auch dort vorsprechen. Obwohl sie gehört hatte, dass die Spitalbrüder keine Pestkranken pflegten.
    Lucia passierte das Tor im Eisenturm zum Rhein, misstrauisch beäugt von den Turmwächtern, die sie allerdings nicht ansprachen. Sie dachte flüchtig an glücklichere Zeiten, in denen sie neben David zwischen den steinernen Löwen hindurchgeritten war, die das Tor bewachten.
    Schließlich erreichte sie die Gotthardkapelle. Es war ruhig hier; die Apotheke wirkte einladend und gut aufgeräumt. Lucia nahm den Geruch von Kräutern wahr, der sie vage an die Rezepte erinnerte, die Al Shifa zu mischen pflegte. Das Mädchen schöpfte wieder Hoffnung.
    »Das Kind und seine Eltern sind krank!«, rief sie dem Apotheker schon im Eintreten zu. »Wir brauchen eine Medizin ...«
    Der Apotheker warf nur einen kurzen Blick auf Fygens blasses Gesichtchen und verschanzte sich dann hinter der Ladentheke.
    »Bleib mir bloß raus hier mit dem pestkranken Wurm! Nicht, dass du mir den Laden verseuchst!«
    Der Mann wedelte mit den Armen, als wolle er Lucia hinauswerfen, fürchtete aber offensichtlich, das Mädchen und das Kind zu berühren.
    Lucia verzog sich vor die Türschwelle. Doch so schnell gab sie nicht auf.
    »Aber Meister Apotheker! Ihr müsst helfen!«, flehte sie. »Vielleicht ist es ja gar nicht die Pest ... Vielleicht ist es nur ein Fieber, das Ihr leicht heilen könnt!«
    »Schildere mir die Krankheitsanzeichen, dann will ich dir was rausbringen!«, lenkte der Apotheker ein, hielt aber sicheren Abstand. »Ich werde es dir hier auf die Schwelle legen, und du wirfst das Geld hin, verstehst du?«
    Lucia hoffte, überhaupt genug Pfennige bei sich zu haben. Aber jetzt schilderte sie dem Apotheker erst mal den Schüttelfrost und den Kopfschmerz, der Meister Wormser ergriffen hatte.
    »Es ist die Pest«, bemerkte der Mann daraufhin nur kurz. »Sie wütet jetzt auch im Augustinerviertel. Der Meister Klingenberg ist gerade eben gestorben. Das wird den deinen auch nicht anders gehen.«
    Lucia sah ihn fassungslos an. Wie konnte er da so sicher sein? Es musste doch etwas geben ...
    Trotz seiner hoffnungslosen Prognose suchte der Apotheker jetzt zwischen seinen Salben und Fläschchen. Schließlich waren die Wormsers nicht arm, und mitnehmen konnten sie ihre Pfennige auch nicht! Letztlich förderte er feinen Theriak hervor, ein Gemisch aus siebzig Simplicia, das als Allheilmittel vor allem bei Tierbissen galt. Unter anderem enthielt es das getrocknete und zermahlene Fleisch giftiger Schlangen.
    »Hier, das gibst du deiner Herrschaft, aber erst flößt du ihnen etwas Suppe ein, man soll es nicht auf nüchternen Magen nehmen.«
    Der Apotheker legte das Päckchen auf die

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