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Die Pestglocke

Die Pestglocke

Titel: Die Pestglocke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Dunne
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mit einem ärmellosen Trikot und Shorts bekleidet, die seine sehnigen, streichholzdünnen Arme und Beine sehen ließen, während er dem Fahrer Zeichen machte.
    »Zurück, Terry«, rief ich.
    Der Sarg drehte sich wieder von ihm fort, und er beschloss, zu bleiben, wo er war. Aber wie ein Pendel schwang der Behälter zurück, und ich sah etwas aus der unteren Ecke hängen, das ich zunächst für eine dicke Spinnwebe hielt. Dann fiel das Sonnenlicht darauf.
    Ich rannte auf Terry zu und wedelte mit den Armen. »Weg hier, um Himmels willen!«
    Eine Flüssigkeit lief aus dem Sarg.
    Terry begann zurückzuweichen, aber er stolperte und fiel auf den Rücken. Dann gab der Boden des Sarges nach, der Stütze beraubt, die ihm die Erde jahrhundertelang geboten hatte. Terry schrie entsetzt auf, als sich eine dunkle, dickflüssige Flüssigkeit auf ihn ergoss.
    Wir alle rannten los, um ihm zu helfen. Doch der Gestank ließ uns nach wenigen Schritten wie angewurzelt stehen bleiben.

2. Kapitel
    W ährend die Männer den splitternackten Terry hinter dem Bagger abspritzten, näherten Gayle und ich uns der Stelle, wo sich die Flüssigkeit ergossen hatte, und sahen, dass sie rasch in die von einer langen regenlosen Zeit trockene Erde einsickerte. Ich machte dem Baggerführer ein Zeichen, den tropfenden Behälter sofort abzusetzen. Das verbliebene Seilnetz hatte zwar verhindert, dass der Bleiboden auf Terry gefallen war, aber es gab keine Garantie, dass er halten würde.
    Ich händigte Gayle meine Autoschlüssel aus. »Hinten drin liegen ein paar Probengläser. Hol welche her, dann versuchen wir, etwas von dem Zeug einzusammeln.«
    Gayle verzog das Gesicht und machte sich auf den Weg. Derbes Gelächter erklang vom Ende der Wasserleitung her, wo Terry ausgiebig mit dem Schlauch abgespritzt wurde, mit dem wir bei Ausgrabungen von Zeit zu Zeit die Erde anfeuchteten. Zweifellos versuchten ihn seine Kollegen nach diesem Erlebnis wieder aufzubauen.
    Ich beobachtete, wie sich der Sarg dem Boden näherte. Plötzlich rutschte er aus seiner Halterung, drehte sich in eine senkrechte Position, und etwas Festes fiel auf die Erde. Es war ein Haufen geschwärzter Knochen, und sie landeten nicht mit einem Klappern, sondern klatschten mit dem dumpfen Geräusch von nassem Rasen auf.
    Der gesamte Sarg rutschte nun endgültig aus den Seilen. Er landete hochkant, blieb zunächst einige Sekunden lang aufrecht stehen und kippte dann keine zwei Meter von mir entfernt auf den Boden, dass die Erde unter meinen Füßen zitterte.
    »Mann, das war aber knapp«, sagte Gayle, die soeben mit den in Papiertüten verpackten Probengläsern zurückkam.
    »Knapp? Das Ganze hier wird zunehmend zum Desaster, Gayle. Ich wünschte, du hättest ... ach, egal.« Ich musste der Versuchung widerstehen, meinen Frust an ihr auszulassen. Auch wenn ich fand, dass sie mit der Entfernung der Särge vorschnell gehandelt hatte, hätte ich sie wahrscheinlich dafür kritisiert, nicht die Initiative ergriffen zu haben, wenn das Gewölbe eingestürzt wäre, ehe wir sie herausholen konnten.
    Der abgestürzte Sarg lag verkehrt herum auf dem Grashang, der teilweise herausgebrochene Boden ganz oben. Er sah aus wie eine übergroße, halb offene Sardinendose. Ein Belag aus pulverisierten Knochen verteilte sich ringsum, aber der größte Teil der nach außen gefallenen Masse lag darunter, wahrscheinlich zermalmt.
    Im Innern des Behälters klebten noch immer Rückstände eines schwarzen, faulig riechenden Glibberzeugs an den Oberflächen. Es handelte sich zweifellos um »Leichensuppe« – eine dicke Flüssigkeit, die beim Zerfall menschlichen Gewebes entsteht.
    »Du liebe Güte, das riecht ja grauenhaft«, sagte Gayle. Sie schluckte heftig, um gegen den Brechreiz anzukämpfen.
    Ich musste zugeben, dass der Gestank wahrhaft widerwärtig war. Und in der Mittagshitze schien er in zunehmend beißenden Wellen zu uns aufzusteigen.
    »Bleib ein bisschen zurück«, sagte ich und schob mir die Maske wieder über Mund und Nase.
    Ein Blick ins Innere des Sarges zeigte, dass er ansonsten leer war. Eine braune Linie auf einem Drittel der Höhe markierte, wie hoch die Flüssigkeit darin gestanden hatte, ehe sie auslief. Ich war enttäuscht, keine weiteren Knochen vorzufinden. Alter oder Geschlecht der Person zu bestimmen, würde unmöglich sein. Es blieb nichts zu tun, als ein wenig von den Rückständen abzukratzen und in einem luftdichten Behälter aufzubewahren, damit sie nicht unter der Einwirkung von Licht und

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