Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Pestglocke

Die Pestglocke

Titel: Die Pestglocke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Dunne
Vom Netzwerk:
Tüchtigkeit oder Fruchtbarkeit, die Zunge für größere Überzeugungskraft und so weiter.«
    »Und was wird mit den verschiedenen Körperteilen gemacht?«
    »Manchmal werden sie in Tränke gemischt. In anderen Fällen muss der Hilfesuchende das Körperteil tatsächlich tragen, oder sogar essen, oder sich mit dem Gehirn oder dem Blut einschmieren. Blut wird manchmal auch getrunken. Seit Jahren verschwinden südafrikanische Kinder aus Townships, manche in die Prostitution und andere in Muti-Tränke. Die größte Nachfrage kommt von ehrgeizigen Geschäftsleuten, aber Kriminelle und Politiker sind auch dabei, hauptsächlich, weil sie es sich leisten können. Meist müssen mehrere Leute bezahlt werden, es kostet also ganz schön.«
    »Und ist es nur ein südafrikanisches Phänomen?«
    »Nein. Es wird im gesamten Afrika südlich der Sahara praktiziert. Und wenn afrikanische Einwanderer hierherkommen … Manche empfinden die Kultur wohl als so fremd und anders, dass sie zu alten Glaubensvorstellungen und Gebräuchen zurückkehren, die sie in ihren Heimatländern vielleicht schon aufgegeben hatten.«
    Das hatte auf jeden Fall einmal auf die Iren zugetroffen. Ich erinnerte mich daran, wie mein Vater von einem Besuch in New York erzählte und entsetzt war, als sein sanftmütiger, Cannabis anbauender Bruder Ollie ihn zu einem aufwieglerischen Auftritt der republikanischen Balladengruppe Wolfe Tones mitnahm.
    »Dazu stehen sie möglicherweise unter enormem Druck, Arbeit zu finden und sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Aber das heißt nicht, dass sie hergehen müssen und jemanden umbringen. Der Sangomas oder ein Mittelsmann wird eine Quelle für Körperteile kennen. Und wenn es sich in unserem Fall tatsächlich um Muti handelt, würde ich sagen, wir haben es mit einem Händler zu tun, der sein Angebot aufstocken musste. Kann sein, dass manche Teile bereits bei einer Zeremonie verwendet wurden, wenn auch wahrscheinlich nicht hier in der Gegend – das würde das Misstrauen von solchen Afrikanern in der Gemeinde wecken, die nicht allzu scharf auf diese Dinge sind.«
    »Sie meinen also, die Körperteile könnten an Kunden in verschiedenen Teilen des Landes verkauft worden sein?« Das ganze Gespräch klang irgendwie surreal.
    »Ja, das würde ich annehmen. Aber es gibt immer noch ein großes ›Wenn‹. Wenn sie wegen Muti getötet wurde, wieso hat man sie dann nicht ausbluten lassen, und warum wurde keines der inneren Organe aus Brustkorb und Unterleib entnommen? Selbst ihre Füße wurden nicht angerührt. Die entfernten Teile sind genau diejenigen, die bei der Identifizierung des Opfers helfen könnten. Ihre Brüste wurden ebenfalls abgeschnitten, ich weiß, aber das geschah vielleicht nur, damit es echter aussieht.«
    »Aber Sie sagten, ihre Genitalien .«
    »Davon ist Malcolm überzeugter als ich«, unterbrach Groot. »Der Grad der Verwesung machte einige der äußeren Verletzungen schwer einschätzbar. Ich muss das noch weiter mit ihm erörtern, deshalb kann ich im Augenblick wirklich nicht mehr dazu sagen, wenn Sie verstehen.«
    »Ja, natürlich.« Er verhielt sich schroff, aber professionell.
    »Na, noch einen Schluck Wein?«, sagte er, wieder heiterer.
    Ich lehnte ab.
    »Etwas dagegen, wenn ich mich bediene?« Er goss sich noch ein Glas ein, trank einen Schluck und griff dann nach dem DIN-A4-Dokument, in dem er gelesen hatte. Es war ein vierseitiges Handout, das ich als Begleittext zu meiner Rede im Heritage Centre geschrieben hatte. »Ich entnehme Ihren Ausführungen hier, dass es wenig oder gar keine Ausgrabungen von Pestfriedhöfen in Irland gegeben hat. Das überrascht mich irgendwie.«
    »Da spielen bis zu einem gewissen Grad politische Gründe mit hinein. In den ersten fünfzig Jahren nach der Unabhängigkeit konzentrierten wir uns auf unsere glorreiche Vergangenheit bis zurück zu den Kelten, bevor die bösen Engländer kamen. Städte, Burgen und Klöster der gotischen Epoche wurden als Vermächtnis der Kolonisten betrachtet, deshalb standen sie bei den Archäologen nicht ganz oben auf der Liste.«
    »Mhm. Da frage ich mich, wie sie wohl in fünf-, sechshundert Jahren an die gegenwärtige Zeit in Südafrika herangehen werden.«
    »Das lässt sich unmöglich vorhersehen. Vielleicht arbeiten sie sich durch die Auswirkungen von Aids, so wie wir die Folgen des Schwarzen Todes im mittelalterlichen Europa einzuschätzen versuchen.«
    »Mensch und Mikrobe, was?« Groot griff erneut nach dem Schriftstück. »Und welche

Weitere Kostenlose Bücher