Die Pestglocke
raus.«
»Wieso?«
»Castleboyne wurde unter Quarantäne gestellt. Entscheidung der Regierung.«
»Im Ernst. Hat es mit dem ... mit der Infektion zu tun?«
»Ja. Und wenn Sie jetzt so freundlich wären ...«
»Nein, bin ich nicht. Ich habe soeben bei mir zu Hause einen Drohanruf erhalten, aber bei der Polizei hat sich niemand gemeldet, als ich anrief, also werde ich den Teufel tun und warten, bis jemand kommt und mich angreift.«
Der Polizist seufzte. »Warten Sie einen Moment.« Er entfernte sich ein Stück vom Auto und murmelte etwas in sein Funkgerät. Eine unverständliche Antwort tönte knisternd aus dem Gerät.
»Der Sergeant redet gleich mit Ihnen«, sagte er und schlenderte zu seinem Wagen zurück. Der andere Beamte trat kurz zu ihm und kam dann auf mich zu. Ich erkannte ihn und beruhigte mich augenblicklich. Ich hatte mit Sergeant Eamon Doyle in den letzten Monaten viel zu tun gehabt. Er war ein lockerer Typ und normalerweise sehr hilfreich. Ich stieg aus, schloss die Wagentür und lehnte mich dagegen.
Doyle blieb kurz stehen und musterte mich von Kopf bis Fuß, dann dämmerte ihm, dass er mich kannte. »Ach, Sie sind's«, sagte er. Der Name war ihm noch nicht wieder eingefallen, aber er wusste, wer ich war. »Ich habe Sie nicht gleich erkannt in Zivil, sozusagen.« Doyle hatte mich wahrscheinlich noch nie in einem Kleid gesehen. »Was haben Sie für ein Problem?«
»Ich habe gerade einen Telefonanruf erhalten. Ein Kerl hat mich mit dem Tod bedroht.«
»Wissen Sie, wer es war?«
»Nein … Vielleicht hat er mit einer Familie zu tun, die ein Kind verloren hat.«
»Das müssen Sie erklären.«
Ich erzählte ihm von Stephen Bolton und meiner Begegnung mit seinen Eltern.
Doyle schob seine Mütze in den Nacken und kratzte sich damit. »Die Leute verlieren schon mal die Fassung. Vielleicht war Alkohol mit im Spiel. Ich würde sagen, es war eine spontane Reaktion, nicht zu ernst zu nehmen. Und wie Sie sehen«, er blickte in Richtung Streifenwagen, »sind wir personell etwas dünn besetzt. Die Quarantäne wurde erst am Abend bekannt gegeben, und wir müssen alle Straßen in die Stadt bemannen, bis die Armee eintrifft.«
»Die Armee?«
»Wie soll es sonst gehen? Wir haben nicht genügend Kräfte. Und wir sind eigentlich für Probleme wie Ihres zuständig, nicht für solchen Unsinn.«
»Ich verstehe ja, dass man niemanden aus der Stadt herauslässt. Aber wieso hindert man die Leute daran, hineinzufahren?«
»Die Überlegung ist, die Zahl der Leute zu beschränken, die der Infektion ausgesetzt sind. Und es wäre schwieriger, mit immer mehr Leuten fertig zu werden, die hereindurften, aber nicht mehr hinaus.«
Meines Wissens hatte man Quarantänemaßnahmen als Mittel, den Ausbruch von Infektionskrankheiten in den Griff zu bekommen, im Großen und Ganzen aufgegeben. Ich würde Groot danach fragen müssen.
»Wohin wollten Sie eigentlich?«, fragte Doyle.
»Zu meiner Tante Betty. Sie wohnt zehn Kilometer von hier, bei Galtrim.«
»Also gut … « Er warf erneut einen Blick in Richtung Streifenwagen. »Wir sagen einfach, dass Sie vor der Sperre durchgekommen sind, okay?« Er blinzelte. Ich lächelte, nickte dankbar und stieg wieder ein. In diesem Augenblick erfassten uns die Scheinwerfer eines Wagens, der aus Richtung Dublin kam.
»Verflixt auch«, sagte Doyle. »Warten Sie hier.«
Während ich darauf wartete, dass er das andere Fahrzeug zum Umkehren zwang, ehe er mich durchließ, überlegte ich, was ich hier vorhatte, und entschied mich dagegen. Ich musste in Castleboyne bleiben, sonst würde ich möglicherweise tagelang nicht zurückkönnen.
Als das andere Auto rückwärts fuhr, wendete ich. Ich wartete einen Augenblick, bis ein verwirrter Sergeant Doyle zurückkam und fragte, was ich vorhabe. »Ich fühle mich teilweise verantwortlich für das, was passiert ist«, sagte ich. »Deshalb sollte ich lieber hier bleiben und Flagge zeigen.«
»Da ist was dran. Inzwischen ...« Er fischte ein kleines Notizbuch aus seiner Brusttasche und schrieb etwas hinein. Dann riss er die Seite heraus und gab sie mir. »Meine Handynummer. Für alle Fälle.«
Hundert Meter vom Haus entfernt, sah ich die Scheinwerfer eines Wagens von meiner Einfahrt auf die Straße leuchten. Ich verlangsamte, um einzubiegen, als ein dunkler, sportlicher Wagen mit Seitenschürzen und Alufelgen auf die Straße schoss und mit Vollgas in Richtung Stadt brauste. Ich fuhr zum Haus und parkte auf dem gepflasterten Rechteck davor. Mit einer
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