Die Pestglocke
Büro und hörte Morning Ireland auf einem kleinen, tragbaren Radio auf meinem Schreibtisch. Die Feuerwehr – eine Bande fröhlicher Typen, die ein paar Eimer Sägespäne auf den Boden kippten, um das Benzin aufzunehmen – war etwa zehn Minuten nach meinem Gespräch mit Doyle eingetroffen. Sie rieten mir, die Fenster offen zu lassen, und ich sagte, ich würde es tun, aber aus nahe liegenden Gründen war es mir nicht sehr geheuer. Als Folge davon hatte ich die ganze Nacht Benzindämpfe in der Nase, während ich mich in einem zu warmen Bett hin und her warf, obwohl ich nackt unter einem einzigen Laken lag. Um halb sieben hielt ich es nicht mehr aus. Ich stand auf, öffnete sämtliche Fenster und Türen im Haus, duschte, kleidete mich an und frühstückte auf der Terrasse in der relativen Kühle des Morgens.
Während ich dort draußen saß, hatte ich das Telefon im Büro leise, aber hartnäckig läuten hören. Ich überlegte vage, ob es vielleicht Finian war – ich hatte mein Handy ausgeschaltet, nachdem ich meine Mutter angerufen und ihr erzählt hatte, dass sie vorläufig bei Tante Betty bleiben musste. Ich hielt es für das Beste, das Missverständnis mit Finian erst später am Tag zu klären, wenn die Kränkung ein wenig nachgelassen hatte.
Wer hatte dann also die ganze Zeit angerufen, als ich da draußen war? Während ich dem Interview mit Patton lauschte, dachte ich, dass es sich wahrscheinlich um einen Journalisten derselben Sendung handelte. Ich war froh, bei dieser Gelegenheit nicht diejenige zu sein, die auf dem heißen Stuhl saß. Sogar meine zweite Tasse Tee, die ich mit ins Büro genommen hatte, schmeckte mir besser als sonst.
»Das hat Ireland Today aber nicht davon abgehalten, mit dem Schwarzen Tod auf der Titelseite herauszukommen, Mr. Patton. Und in einem Artikel im Blatt behauptet der Reporter Darren Byrne, ein südafrikanischer Pathologe, der schon mit Ebola-Fällen gearbeitet hat, habe beim ersten Opfer dieser geheimnisvollen Krankheit eine Autopsie durchgeführt. Ist das richtig?«
»Dieser Krankheitsausbruch hat nichts mit Ebola zu tun.«
»Sie haben meine Frage nicht beantwortet, Mr. Patton.«
»Der Umstand, dass die Autopsie des ersten Opfers von Dr. Groot durchgeführt wurde, hat nichts mit dessen Erfahrung mit Ebola oder irgendeiner anderen hämorrhagischen Krankheit zu tun, wie Sie offenbar andeuten.«
»Das ist es, was Ireland Today behauptet, Mr. Patton. Ich habe Sie nur darauf hingewiesen, was man so hört. Jedenfalls unterbinden Sie nun jeden Verkehr von und nach Castleboyne, ist das richtig?«
»Ja!«
»Aber ist Quarantäne als Methode nicht außer Mode gekommen, wenn es um Seucheneindämmung geht?«
»Ich will keine Haarspalterei betreiben, aber ›Quarantäne‹ bedeutet eine konkrete Zeit der Isolation, in Zusammenhang mit einer Seuche, deren Profil man kennt. In diesem Fall dagegen haben wir die Stadt vorsichtshalber abgeriegelt, um zu verhindern, dass sich die Krankheit ausbreitet, während wir herauszufinden versuchen, worum es sich handelt. Man muss das richtige Maß finden zwischen der potenziellen Gefahr für die Allgemeinheit und dem Recht auf Freizügigkeit des Einzelnen. Und die Stadt für wahrscheinlich nur wenige Tage zu isolieren, erscheint als ein relativer kleiner Preis.«
»Es sei denn, man wohnt dort«, knurrte der Moderator. »Und schließen Sie nicht ohnehin die Stalltür, nachdem das Pferd ausgerissen ist? Es ist mehrere Tage her, seit der erste Fall ans Licht kam. Viele Leute könnten bereits beschlossen haben, aus der Stadt zu fliehen.«
»Aber indem wir die Stadt jetzt isolieren, können wir leichter Kontakte zwischen infizierten Personen innerhalb der Stadt selbst zurückverfolgen und wenn nötig jeden aufspüren, der dort einer möglichen Infektionsquelle ausgesetzt war und die Zone seither verlassen hat. Die Maßnahmen, die wir ergreifen, stehen im Einklang mit internationalen Richtlinien zum Ausbruch ansteckender Krankheiten – frühzeitige Entdeckung des Ausbruchs, Isolation der Infizierten und Zurückverfolgung von Kontakten.«
»Welche anderen Beschränkungen außer der Abriegelung der Stadt erlegen Sie den Bewohnern von Castleboyne noch auf?«
»Ich bin froh, dass Sie das fragen. Außer der Sperre ergreifen wir keine Zwangsmaßnahmen. Worum wir die Einwohner der Stadt bitten, ist, sich freiwillig an einige Richtlinien zu halten, die wir herausgeben. Wir bitten sie, Schulen und Kindergärten zu schließen, alles abzusagen, wo sich große
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