Die Pestglocke
das Gefühl, etwas anzünden zu müssen, um sein Anliegen zu unterstreichen.«
»Hm. Er hat wohl nicht zufällig einen Benzinkanister mit Fingerabdrücken darauf zurückgelassen?«
»Nein.«
Wir gingen zurück zur Terrasse, und ich schlug vor, den Kaffee dort zu trinken. »Wenn ich wieder herauskomme, möchte ich hören, was Sie in letzter Zeit so getrieben haben und warum man Sie auf diesen Mordfall angesetzt hat.«
»Ich kann es Ihnen auch unterwegs erzählen«, sagte er und spazierte mit mir ins Haus. Das letzte Mal, als er durch den Hintereingang gekommen war, hatte er einen Verdächtigen in einem Mordfall verhaftet, den die Medien nachfolgend die »Sonnwendmorde« tauften.
Gallagher erzählte mir, dass er nach dieser Ermittlung für die erfolgreiche Jagd auf einen Mann zuständig gewesen war, der in England wegen eines Ehrenmords gesucht wurde. Als Folge davon hatte man ihn zum Leiter einer Sondereinheit berufen, die sich rasch zusammenstellen ließ, wenn ein Mord den Stempel einer der neuen Einwandererkulturen in Irland trug.
»Wir versuchen, mehr Leute mit nicht-irischer Abstammung in die Truppe zu bekommen«, sagte er. »In der Zwischenzeit ist ein rothaariger Typ aus Donegal zuständig. Und wenn keine Ermittlung in Gang ist, fungiere ich als eine Art ethnischer Verbindungsbeamter.«
»Wie finden Sie Peter Groot?«, fragte ich, als wir mit unserem Kaffee zurück auf die Terrasse gingen.
»Pete? War eine gute Entscheidung von Doc Sherry, ihn zu holen. Ich werde Pete in Kürze wieder treffen. Wie es aussieht, bleibt er so lange hier, wie diese Quarantäne in Kraft ist. Wir hatten ein Lagezentrum in Navan eingerichtet, aber ich musste mit ein paar Detectives umsiedeln, um unsere Ermittlungen in Castleboyne fortzusetzen. Wir werden die Reisebeschränkungen zu unserem Vorteil nutzen. Ich habe die Genehmigung von ganz oben, freiwillige DNS-Tests mit der afrikanischen Bevölkerung in der Stadt durchzuführen, um herauszufinden, ob die tote Frau hier Angehörige hatte, und wenn ja, warum sie sie nicht als vermisst gemeldet haben und keinen Anspruch auf ihre Leiche erheben. Wir arbeiten eng mit den geistlichen und politischen Führern der Immigrantengemeinden zusammen.«
»Und warum glauben Sie, dass sie aus Castleboyne ist?«
»Wegen des Fundorts der Leiche. Der Bach verläuft ein Stück parallel zur Straße, theoretisch könnte also jeder den Körper hineingeworfen haben, aber es ist eine Nebenstraße, die keine größeren Orte verbindet. Um von Navan oder Dublin auf sie zu kommen, müsste man mit der Leiche im Kofferraum quer durch Castleboyne fahren, was nicht sehr wahrscheinlich klingt. Deshalb gehen wir davon aus, dass sie in der Stadt ermordet und dann am Stadtrand abgeladen wurde. Die andere Möglichkeit ist, dass sie am Ufer des Bachs ermordet wurde, aber dann suchen wir immer noch nach einem Mörder aus Castleboyne.«
»Groot sagt, er hat seine Zweifel daran, dass es sich um einen Muti-Mord handelt.«
»Ja. Er hatte heute Morgen eine Unterhaltung mit Sherry, und sie waren sich einig, dass manche Verletzungen zunächst falsch interpretiert wurden.«
»In welcher Weise?«
Gallagher räusperte sich. »Es geht um … Sie haben gehört, dass sie an den Genitalien verstümmelt wurde?«
»Ja, das weiß ich.«
»Nun, das stimmt. Aber aufgrund der Verwesung war auf den ersten Blick nicht ersichtlich, dass es geschehen ist, lange bevor der Mörder sie zerteilt hat.«
»Ich glaube, ich verstehe nicht ganz ...?«
»Sie wurde beschnitten, wahrscheinlich als Kind. Sie haben sicherlich von diesen Praktiken gehört.«
»Weibliche Genitalverstümmelung, ja, aber ...«
»Und die schärfste Form davon. Infibulation -manchmal auch pharaonische Beschneidung genannt. Komplette Entfernung der inneren Schamlippen und der Klitoris. Die äußeren Schamlippen werden dann zusammengenäht, damit sie die Vagina bedecken, bis auf eine kleine Öffnung für Urin und Menstruationsblut. Tut mir leid, dass Sie sich das anhören müssen, aber besser ich sage gleich alles, dann muss ich es später nie mehr erwähnen.«
Ich setzte meine Kaffeetasse ab. Mir war leicht schlecht.
»Jedenfalls ändert sich damit einiges an dem Fall, wie Pete meint. Denn auch wenn weibliche Genitalverstümmelung von Afrikanern verschiedener Religionen praktiziert wird, ist sie in islamischen Kulturen am häufigsten anzutreffen. Die wiederum hängen aber weniger Muti-Praktiken an als Leute mit animistischen Glaubensvorstellungen. Das sind
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