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Die Pestmagd

Titel: Die Pestmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Trank eingeflößt und vorgegaukelt hatte, sie sei Bela, mit der er Hochzeit feiere!
    Hennes sah es nicht zum ersten Mal. Als er noch regelmäßig das Badehaus besuchte, hatte es mehrere Männer gegeben, die derart gezeichnet waren. Weißenburg hatte sie in gesonderten Wannen baden lassen, keine der Mägde durfte sie anfassen.
    Wenn er sie berührte, rann aus den Geschwüren eine dünne, durchsichtige Flüssigkeit. Ob darin das Gift steckte, das andere krank machte? Oder war es doch der faulige Wind, der die Seuche von einem zum anderen trug?
    Es gab kein Entkommen. Hennes wusste es längst.
    Er kannte Männer, die seit Jahren an dieser Krankheit litten, hatte mit eigenen Augen gesehen, wie sie das Laufen, das Reden, ja schließlich sogar das Denken verlernten, bis sie im Narrenturm landeten, wenn inzwischen ihr Vermögen aufgebraucht war, oder in einer Kammer versteckt wurden, solange es noch jemanden gab, der auf ein Erbe hoffen durfte.
    Kein Medicus konnte sie heilen, keine Arznei von ihr kurieren, nicht einmal das heilige Holz, von dem Ita so geschwärmt hatte, weil sie damit die Verzweiflung der Erkrankten ausbeutete und es ihr viel Geld einbrachte.
    Er hatte nicht vor, so zu enden – weder im Narrenturm noch in einer Kammer, wo er auf die Gunst anderer angewiesen wäre. Dass Ita noch einmal in seine Nähe kommen könnte, war der schlimmste aller Gedanken.
    Langsam, gemessenen Schritts wanderte Hennes durch die Räume des Lilienhauses, das er mehr als alles andere begehrt hatte, vom oberen Stockwerk bis hinunter ins Gewölbe, wo seine Felle lagerten.
    Er brauchte keine Kerze, um sich zurechtzufinden, obwohl die Dämmerung schon nahte. Er wusste auch so, wo Hermelin lag und wo Fuchs, wo Zobel sich bauschte und glatter Marder nun vergeblich auf lüsterne Frauenblicke warten musste. Er ließ Iltisse, Kaninchen und Fehe liegen, bis er schließlich bei den Otterfellen angelangt war.
    Sein alter Meister hatte immer behauptet, eine nackte Jungfrau müsse ein paar Wochen lang auf ihnen schlafen, um das Haar besonders sanft zu machen. Doch für solchen Unsinn blieb ihm nun keine Zeit mehr. Nahezu blindlings griff er nach dem schönsten Fell, rauchgrau, mit ein paar dunkleren Streifen, die ins Bräunliche gingen. Diese kräftigen Raubtiere waren in der Lage, sich über viele Stunden im kalten Wasser aufzuhalten, ohne jemals zu frieren. Er konnte nur hoffen, dass ein wenig von ihrem Schutz auch auf ihn übergehen würde.
    Gebückt wie ein Greis schlich er die Treppen wieder hinauf, nahm seinen Mantel und legte sich das Fell um die Schultern. Wenn jemand ihm unterwegs begegnete, würde er den Kürschnermeister Arnheim sehen, zielstrebig unterwegs, wie man es nicht anders von ihm gewohnt war. Beinahe schien es, als sei auf seinem letzten Weg auch etwas von der alten Betriebsamkeit in ihn zurückgekehrt.
    Er hörte den Fluss schon von Weitem. Dass der Rhein so hohes Wasser führte, war für seine Zwecke nur dienlich. Doch als er schließlich am Ufer stand, wurde ihm doch ängstlich zumute.
    Sagte man nicht, dass die Nymphen die Seelen Ertrunkener mit Steinen beschwerten, damit sie nie wieder zum Licht aufsteigen konnten? Andere behaupteten, sie fräßen sie mit ihren spitzen Zähnen auf, aus Rache, weil sie bis in alle Ewigkeit ins Feuchte verbannt waren.
    Severin hatte ihm diese und andere Geschichten erzählt, als sie noch klein gewesen waren und nebeneinander im Bett gelegen hatten. Plötzlich vermisste er den Bruder so sehr, dass sein Herz sich zusammenkrampfte.
    » Verzeih!«, murmelte Hennes, während er den Mantel ablegte. » Ich wollte immer so sein wie du – und hab es doch niemals geschafft.«
    Ein kalter Wind fuhr ihm unter die Kleider, doch es wurde besser, als er den Pelz wieder um die Schultern spürte.
    Der Otter würde ihn nicht enttäuschen, wenigstens der nicht.
    Hennes zog die Schuhe aus, weil es ihm seltsam erschienen wäre, in Schuhen zu sterben, und watete in den Rhein. Das Wasser war so eisig, dass es seine Füße wie mit Nadeln stach, doch er ließ sich nicht beirren, watete weiter und immer weiter.
    Als ihm die Fluten bis zur Brust reichten, sprang das Eisenband, das sein Herz zusammengepresst hatte. Plötzlich war er wieder ganz frei und leicht.
    Der nächste Schritt riss ihm den Grund unter den Füßen weg. Eine große Welle schwappte über seinen Kopf.
    Der Otter, war sein letzter Gedanke. Der Otter!
    Dann trieb nur noch ein dunkles Fell auf dem Wasser.
    x
    Mendel ben Baruch hatte ihn schon

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