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Die Pestmagd

Titel: Die Pestmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Vincent.
    Der dicke Kopf des Prälaten schien fast zwischen den massiven Schultern zu verschwinden.
    » Er klagt«, lautete seine Antwort. » Und hatte wohl eine miserable Nacht. Aber jetzt, da Ihr gekommen seid …« Mit einer Verneigung zog er sich zurück.
    Hermann von Wied war noch im Nachtgewand, wenngleich er einen pelzverbrämten Samtmantel darüber geworfen hatte. Seinen Kopf schmückte ein Barett aus braunem Brokat.
    » Ihr kommt spät«, sagte er mit jämmerlicher Stimme. » Sehr spät. Dabei hätte ich Euch so sehr gebraucht! Alles tut mir weh – der Mund, die Glieder, der Kopf. Ich fiebere und bin so matt, als hätte mir jemand Gift ins Essen gemischt.«
    » Ihr habt noch immer Euren Vorkoster?«, fragte Vincent erschrocken. Wenn der Bischof jetzt starb, wäre Jakobs Schicksal besiegelt.
    » Natürlich«, mischte sich Bernhard vom Hagen ein. Auch er ein Bild des Jammers, der Bart erstmals nicht penibel gekämmt, die Augen blutunterlaufen, als habe er die ganze Nacht durchgezecht. » Martin Weigand würde lieber selbst auf der Stelle tot umfallen, als einen Fremden an das Essen Seiner Exzellenz zu lassen. Die Speisen waren einwandfrei. Die Getränke ebenfalls. Wir haben alle davon gegessen.«
    » Ja, wenn ich nur irgendeinen Bissen hinunterbekäme«, rief der Erzbischof. » Mein Magen ist wie zugeschnürt, aber Durst habe ich, entsetzlichen Durst.«
    Eine Saite begann in Vincent zu klingen.
    So etwas Ähnliches hatte neulich schon jemand gesagt – vor nicht allzu langer Zeit. Dann fiel es ihm wieder ein: Der Jude war es gewesen, Mendel ben Baruch, der sich so sehr um seine Miriam gesorgt hatte.
    Eine Idee begann in Vincent Gestalt anzunehmen, verrückt und eigentlich undurchführbar, aber das Einzige, was vielleicht machbar wäre.
    » Ich muss Euch gründlich untersuchen, Exzellenz«, sagte er. » Allein. Ihr kennt ja inzwischen meine Methoden.«
    » Geht nur!«, rief Hermann von Wied seinem Kanzler zu. » Ihr habt ja ohnehin noch vieles zu erledigen. Sein Halbbruder ist ermordet worden«, fügte er an Vincent gewandt hinzu. » Stellt Euch nur vor! Aber der Täter scheint uns schon ins Netz gegangen zu sein.«
    Vincent gelang es, die Miene nicht zu verziehen, bis vom Hagen das Gemach verlassen hatte.
    » Bitte nehmt als Erstes das Barett ab«, sagte er dann.
    » Das Barett?« Der Erzbischof begann nervös zu zwinkern. » Weshalb? Ist mein Kopf denn auch krank?«
    » Genau das möchte ich ja untersuchen.« Vincent beugte sich über den teilweise schon kahlen Schädel.
    » Könnt Ihr mich bei der Gelegenheit nicht gleich ein wenig kratzen?«, rief Hermann von Wied. » Es juckt nämlich ganz entsetzlich.«
    Auf der blassen Kopfhaut zeigten sich Dutzende von rötlichen Erhebungen in allen nur denkbaren Größen und Schattierungen.
    » Habt Ihr diese Beulen schon länger?«, fragte Vincent ruhig und holte die Handschuhe aus seiner Tasche.
    » Beulen?«, rief der Erzbischof erschrocken. » Von welchen Beulen redet Ihr? Und weshalb zieht Ihr auf einmal Eure Handschuhe an?«
    » Von den Beulen auf Eurem Kopf.« Vincent nahm nun auch die Maske heraus und setzte sie auf. » Und ich wette, nicht nur dort werde ich sie finden. Bitte zieht den Mantel aus und streift das Hemd nach oben!«
    » Ich soll mich vor Euch entblößen, während Ihr dieses entsetzliche Ding vor dem Gesicht habt? Niemals!« Wie ein bockiges Kind verschränkte von Wied die Arme vor der Brust.
    » Bitte, Exzellenz!« Vincent legte all seine Angst, all seine Sorgen um Jakob und Johanna in seine Stimme. » Um Euretwillen – tut, worum ich Euch ersuche!«
    Hermann von Wied begann vor Angst zu schlottern. Nur mit Mühe gelang es ihm, den Mantel abzustreifen. Seine Hände, mit denen er das Hemd nach oben stülpte, schienen ihm kaum noch zu gehorchen.
    Dünne Altmännerbeine kamen zum Vorschein, mit schmalen, knochigen Knien und aderdurchzogenen Schenkeln. Der Bauch darüber, der einst stramm gewesen sein mochte, hatte sich in ein welkes Häuflein Haut verwandelt – alles bedeckt mit kleinen roten Pusteln.
    » Ihr könnt Euch wieder bedecken, Exzellenz«, sagte Vincent. » Ich habe gesehen, was ich sehen musste.«
    Eine lange Pause.
    » So redet doch«, rief der Erzbischof und griff nach Vincents Ärmel. » Es ist doch nicht …«
    » Ich fürchte doch, Exzellenz«, erwiderte Vincent und war froh, dass die Maske sein Gesicht verdeckte.
    » Die Pest? Und Ihr seid ganz sicher?«
    Vincent nickte bedeutungsschwer.
    » Aber das hieße ja, dass ich …

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