Die Pestmagd
ohne Köln reformiert zu haben!« Hermann von Wied sank auf die Knie. » Womit habe ich das verdient, gütiger Gott? Deinen Knecht abzuberufen, bevor er Dein Werk verrichten kann?« Flehend streckte er Vincent die Arme entgegen. » Rettet mich, Meister de Vries! Lasst nicht zu, dass ich so elend verende – um der Stadt willen!«
» Eine Möglichkeit gäbe es da vielleicht«, sagte Vincent langsam. » Ein neues Mittel aus dem Orient, das wahre Wunder bewirken soll …«
» Her damit!«, rief der Erzbischof und erhob sich ächzend. » Egal, wie teuer es auch sein mag, bringt es mir!«
» Mit Geld ist es nicht zu bezahlen.« Jetzt kam es auf jedes Wort an. Vincent hatte vor Aufregung zu schwitzen begonnen. Maske und Kleidung klebten inzwischen an ihm wie eine zweite Haut.
» Was soll das heißen? Wie kommt man dann daran?«, drängte von Wied.
» Das könnte ich für Euch erledigen. Aber nur unter einer Bedingung.«
» Welche Bedingung? So redet doch endlich!«
» Entlasst den jungen Mann aus der Hacht«, sagte Vincent. » Dann werde ich das Mittel besorgen.«
» Den Mörder entlassen? Seid Ihr von Sinnen? Aber weshalb denn?«
» Noch ist er nicht verurteilt. Und wer weiß, vielleicht hat er die Tat ja gar nicht begangen.«
» Das behaupten sie alle. Und reden dann doch unter der Folter. Nein, Meister de Vries, alles andere – aber das geht entschieden zu weit!«
Schweigend ging Vincent zu seiner Tasche und schloss sie.
Es war ein Versuch gewesen, nicht mehr. Und doch hatte er für einen Augenblick das wahnwitzige Flämmchen der Hoffnung gespürt. Er hatte alles auf eine Karte gesetzt – und verloren.
» Ihr wollt gehen und mich so zurücklassen?«, rief der Erzbischof. » Ihr seid mein Leibarzt. Das dürft Ihr nicht!«
» Ich werde alles für Euch tun wie für die anderen Pestkranken auch«, sagte Vincent mit bleierner Stimme. » Was leider nicht allzu viel ist. Wir müssen zunächst abwarten, wie sich die Beulen weiter entwickeln …«
» Damit ich sterbe wie sie alle? Zu Tausenden faulen sie schon in den Gruben! Nein, wartet, de Vries, ich muss überlegen.« In fiebriger Hast wischte er sich über das Gesicht. Dann wandte er sich ihm zu. » Die Wahrheit, de Vries!«, forderte er. » Und nehmt endlich diese schreckliche Maske ab, damit ich Eure Augen sehen kann. Warum soll ich ihn entlassen?«
Vincent gehorchte. Schweigend starrten sie sich an.
» Er ist mein Sohn«, sagte er schließlich. » Ich weiß es erst seit einigen Tagen.«
Hermann von Wied schloss die Lider. Als er sie wieder öffnete, waren seine Augen wässrig.
» Das ist Erpressung«, sagte er. » Niemals sollte ich mich darauf einlassen. Wann könnt Ihr mir das Mittel bringen?«
» Heute Abend«, sagte Vincent. » Wir sollten keine kostbare Zeit verlieren.«
» Wer sagt mir, dass es tatsächlich wirkt?«
» Ich. Der Arzt, der Euer Leberleiden kuriert hat. In medizinischen Angelegenheiten könnt Ihr mir vertrauen. Die Beulen verschwinden – und Ihr werdet leben. Das schwöre ich bei der Seele meiner verstorbenen Mutter. Allerdings wird es ein paar Tage dauern.«
» Erst das Mittel – dann der Gefangene. Anders kommt der Handel nicht zustande.«
» Genau so hatte ich es mir gedacht«, bekräftigte Vincent.
» Der junge Mann wird die Stadt verlassen?«
» Mein Wort darauf!«, sagte Vincent, während der Knoten in seiner Kehle immer größer wurde. So vieles war noch zu tun – und ihm blieben nur noch ein paar lausige Stunden.
» Und wie soll ich meinem Kanzler die ganze Angelegenheit erklären? Immerhin wurde sein Halbbruder erstochen!«
» Durch Flucht hat sich der Täter der Anklage entzogen. Ihr lasst den Jungen in den Frankenturm überführen – und dabei sucht er das Weite. Euer Leibarzt, der ihn begleitet hat, wurde niedergeschlagen.« Vincents Stimme veränderte sich. » Ihr müsst sofort Euer Bett aufsuchen, damit Ihr halbwegs bei Kräften bleibt, denn das Mittel ist sehr stark. Bleibt allein, lasst niemanden in Eure Nähe, denn es wird nur für einen reichen!«
» Scheint, als hättet Ihr an alles gedacht.« Der Erzbischof lächelte bitter. » Was, wenn ich nicht krank geworden wäre? Hättet Ihr dann mich niedergeschlagen, um Euren Sohn zu befreien?«
Vincent blieb die Antwort schuldig.
» Wir sollten keine Zeit verlieren«, sagte er schließlich. » Jede Stunde zählt.«
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Der Anblick der Geschwüre an seinem Geschlecht ließ starke Übelkeit in ihm aufsteigen. Das also hatte Ita gemeint, als sie ihm den
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