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Die Pestspur

Die Pestspur

Titel: Die Pestspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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wurde.
    »Wo bleibt der Bub nur?«, fragte sie ihren Mann bang.
    »Bleib gelassen, Liebste. Er wird schon noch kommen. Es ist ein steiler und anstrengender Weg von Bregenz hierher.«
    Dass der Weg zuweilen auch gefährlich sein konnte, verschwieg er lieber.
    Die Zeit schritt unaufhaltsam voran, und Konstanze konnte ihre Anspannung kaum noch unter Kontrolle halten. Es war längst Nacht, als Rudolph den Schein einer Laterne aus dem Ort heraus in Richtung Schloss kommen sah. Schnaufend rannte er um das halbe Gebäude herum zum Tor und dann zum Vogteigebäude, um dort an die Tür zu hämmern. Er war so aufgeregt, dass er kaum herausbrachte, was er sagen wollte.
    »Nun, was ist denn?«, fragte ihn der Kastellan, der natürlich ahnte, was Rudolph zu vermelden hatte.
    »Er … er … Eginhard kommt!«
    Konstanze fiel zuerst dem verdutzten Wachmann um den Hals und dann dem Rest der Familie. Niemand entkam ihrer liebgemeinten Umarmung.
    »Also los! Wir müssen uns beeilen.« Die aufgeregte Mutter nestelte noch an den Gewandungen ihrer drei Männer herum, bevor sie sich hustend ein großes Tuch um die Schultern legte. »Wir können«, rief sie, während sie schon zur Tür eilte.
    »Frauen!«, sagte Ulrich lächelnd zu den Buben, während er sie in die Arme nahm. »Und jetzt kommt!«
    Gespannt postierten sie sich – zwei links und zwei rechts – hinter dem geschlossenen Tor, als sie Rudolph mit fast angsteinjagend tiefer Stimme rufen hörten: »Wer da?«
    »Der verlorene Sohn!«, schallte lachend die Antwort zurück.
    Als Konstanze die Stimme ihres Ältesten hörte, machte ihr Herz einen freudigen Sprung.
    Aber Rudolph machte es spannend. Schließlich wollte auch er seinen Spaß haben. »Das kann jeder sagen. Könnt ihr Euch ausweisen?«
    »Na, komm schon, Rudolph. Ich bin’s, Eginhard. Es ist lausig kalt. Öffne endlich das Tor«, hallte es von draußen herein.
    Mit einem leicht spöttischen Lachen in Richtung seiner Herrin, was ihm einen bösen Zeigefinger einbrachte, stieg Rudolph – sich seiner ehrenvollen Aufgabe bewusst – die Stufen der Zinnenmauer herunter, um die kleine Tür im großen Schlosstor zu öffnen. Für Konstanze dauerte dies eine Ewigkeit. Immerhin hatte sie ihren Ältesten fast ein ganzes Jahr nicht gesehen und sich während dieser unerträglich langen Zeit mit einem spärlichen Briefwechsel zufriedengeben müssen.

    *

    Jedes Mal, wenn Konstanze dem zwischen Immenstadt und Lindau pendelnden Boten für Eginhard einen Brief – und stets auch ein pralles ›Fresspaket‹ – mitgegeben hatte, hatte sie ein ungutes Gefühl beschlichen. Sie hatte nie gewusst, wie lange der Bote unterwegs sein und ob der verderbliche Teil des Päckcheninhaltes den Weg nach Bregenz unbeschadet überstehen würde. Wenn sich der kauzige Bote anstatt der Pferde seiner Ochsen bediente, konnte es ewig dauern, bis er in Lindau ankam. Warum der ›Lindauer Bot’‹ zwischendurch den wesentlich langsameren Ochsenkarren bevorzugte, wusste niemand so genau. Vermutlich hing dies mit der Größe oder dem Gewicht der jeweiligen Ladung zusammen. Außerdem war sich Konstanze nie ganz sicher, ob Eginhard die Sendung korrekt erhalten würde – nicht, weil sie dem Boten misstraute, vielmehr, weil dessen Weg offiziell nur bis nach Lindau und niemals bis nach Bregenz führte. Der Bote hatte ihr erzählt, dass er dann vor Ort stets jemanden organisieren musste, der die Sachen bis nach Bregenz mitnahm. Hierbei verfügte er wohl nur über eine mäßige Menschenkenntnis. Deshalb war es schon öfter vorgekommen, dass die wertlosen Briefe in der nächsten Gosse und die Nahrungsmittel in den Mägen der vermeintlichen Hilfsboten gelandet waren – obwohl er für deren Dienste bezahlt hatte.
    Aus diesem Grund hatte Konstanze später ihre Schreiben mit inoffizieller Genehmigung des Oberamtmannes den Königsegg’schen Kurieren mitgegeben. Diese ritten von Zeit zu Zeit über Bregenz nach Konstanz, um ihrem Herrn versiegelte Botschaften aus Immenstadt zu überbringen und neue Orda mitzunehmen. Der Kastellan versäumte es nie, den Kurieren etwas Silber in die Hand zu drücken. Davon sollten sie sich in der Klosterschänke ein paar Quart Wein und einen Ranken Speck genehmigen, während sie darauf warteten, bis Eginhard hastig eine Antwort für seine Mutter schrieb. Dies klappte aber nur, wenn der Studiosus nicht gerade in der Lernstube arbeitete oder gar Silencium hatte. Auch der Staufner Propst und der Abt des Klosters Mehrerau tauschten auf diesem Wege

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