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Die Pestspur

Die Pestspur

Titel: Die Pestspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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ihre Neuigkeiten aus.

    Während Rudolph den großen Schlüssel ins Schloss schob, strahlte er übers ganze Gesicht. Auch er freute sich über Eginhards Ankunft. Anstatt der kleinen Tür schwang er quietschend und rumpelnd das schwere Tor aus Holz, Eisenblech, Beschlägen und einer Vielzahl großer Nägel auf. Zunächst war der Reiter nur schemenhaft unter dem Torbogen zu erkennen. Wegen der Kälte hatte er die Kapuze seiner dunkelbraunen Cuculle , einem mantelähnlichen Umhang, der schon in der Antike bekannt war, tief ins Gesicht gezogen. Dieser Teil der Gewandung war zwar nicht mehr groß in Mode, schützte aber gerade beim Reiten vor Kälte und Nässe. Da der Schnitt vorne kürzer als am Rücken war, legte sich der hintere Teil auch noch wärmend über die Kruppe des Pferdes. Erst als sich Eginhard die Kapuze vom Kopf streifte und abstieg, erkannten ihn die Seinen. Vor ihnen stand ein stattlicher Mann mit langem, lockigem Haar und kantigem Gesicht. Schlagartig war es mit der selbst auferlegten Disziplin vorbei. Als Eginhard dem strahlenden Knecht mit einem herzlichen Gruß die Zügel in die Hand drückte und ihn dabei kurz umarmte, stürmten alle auf ihn zu, wobei sie sich Mühe geben mussten, der Mutter den Vortritt zu lassen. Die Begrüßung hätte nicht inniger ausfallen können. Selbst dem herbeigeeilten Siegbert und dem Gesinde kullerten Freudentränen herunter, als sie von Eginhard ans Herz gedrückt wurden.

    Nachdem genügend Küsse und Umarmungen ausgetauscht worden waren, räusperte sich der Kastellan, setzte eine strenge Miene auf und waltete – wie immer, wenn er im Namen des Schlossherrn hochoffiziell Gäste begrüßte – seines Amtes, wobei er das Lachen kaum unterdrücken konnte. »Erstgeborener Sohn des adligen Schlossvogtes Hannß Ulrich Dreyling von Wagrain und dessen stolzen Weibs Konstanze, seid willkommen. Wie für uns ist das Schloss auch Euer Zuhause. Achtet den Schlossfrieden und ordnet Euch den Gesetzen des hochwohllöblichen Grafen Hugo zu Königsegg-Rothenfels unter. Meidet Streit und sät keine Zwietracht unter denen, die hier weilen …«
    »Das hast du schön gesagt«, unterbrach ihn Konstanze, die es nicht erwarten konnte, ihren Sohn endlich ausgiebig anzusehen, zu berühren und ihn sprechen zu hören. »Mein Gott, bin ich stolz auf dich«, murmelte sie, während sie sich bei ihm unterhakte und ihn zielstrebig zum Wohnhaus zog. »Komm erst einmal richtig an und wärme dich auf. Danach ist immer noch Zeit zum Erzählen.«

    *

    Die Mutter und die Magd wuselten so lange eifrig in der Küche herum, bis das Tischgebet gesprochen werden konnte. Dann fuhren sie zur Feier des Tages alles auf, was Speisekammer und Keller zu bieten hatten. Im Vergleich zu früheren Zeiten nahm sich dies zwar vergleichsweise bescheiden aus, konnte sich aber immer noch sehen lassen. Nach dem Mahl entwickelte sich ein Geschnatter, das von tausend Gänsen und Gantern hätte kommen können, bis der Vater dem Durcheinander sanft Einhalt gebot: »Jetzt lasst doch erst einmal Eginhard berichten.«
    Die Familie saß in der warmen Stube zusammen und hörte dem Studiosus andächtig zu. Auch Diederich, den keine tausend Pferde von Eginhards Schoß wegbringen würden, durfte so lange aufbleiben, wie er wollte … auch wenn ihm längst die Augen zugefallen waren. Lodewig brachte während des Gespräches fast nichts heraus – zu stolz war er auf seinen großen Bruder, um ihn bei seinen Ausführungen zu unterbrechen.
    »Wir sprechen morgen weiter«, hob der Vater weit nach Mitternacht die gemütliche Runde auf. Die schlimmen Vorkommnisse der vergangenen Wochen und Monate hatte er heute bewusst nicht angesprochen. Er wollte den mittlerweile hundemüde gewordenen Eginhard nicht schon am ersten Tag in seiner Heimat mit den örtlichen Problemen belasten.

Kapitel 34

    Es waren nur noch zwei Tage bis Weihnachten. Eginhard, der sich zu Hause gleich wieder richtig wohlfühlte, ließ sich jetzt von seinen Eltern alles berichten, was sich während seiner Abwesenheit in Staufen zugetragen hatte. Da ihm seine Mutter nichts über die vermeintliche Pest in Staufen geschrieben hatte, um ihn nicht unnötig von seinem Studium abzulenken, und ihm sein Bregenzer Professor, Pater Alfons, nichts erzählt hatte, obwohl er davon wusste, fiel er jetzt aus allen Wolken.
    »Um Gottes willen! So viele Tote«, bemerkte er kopfschüttelnd, bevor er sich bekreuzigte und ein Gebet für die armen Seelen sprach.
    Als er auch noch die Geschichten vom

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