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Die Pestspur

Die Pestspur

Titel: Die Pestspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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toten Wachsoldaten, vom verschollenen Sohn des Blaufärbers und von der Leiche im Entenpfuhl gehört hatte, war er tief bestürzt und sehr nachdenklich geworden.
    »Was für ein Jahr!«, bemerkte er kopfschüttelnd. »Die Sache mit der Pest kommt mir allerdings auch etwas merkwürdig vor. Ich werde dem Medicus auf die Finger sehen«, nahm er sich vor.
    Jetzt wollte er aber erst einmal einen gemütlichen Rundgang durch seinen Geburtsort machen – immerhin war er fast ein ganzes Jahr weg gewesen. Er wollte alte Freunde besuchen und sich bei Propst Glatt dafür bedanken, dass er ihm zu seinem Studium verholfen hatte, wenngleich es wohl mehr der Tatsache entsprach, dass ein ehemaliger Studiosus namens Johannes Nepomuk den Grundstein dafür gelegt hatte, dass im Kloster Mehrerau die Naturwissenschaften und die Heilkunde erlernt werden konnten, obwohl es eigentlich keine richtige Universität war. Außerdem würde er wohl nicht darum herumkommen, dem Kirchenmann ausführlich über seine Arbeit und das klösterliche Leben in Bregenz zu berichten.
    Zuvor aber wollte er mit seinem Vater ein Stück in Richtung Weißach hinunterreiten. Er freute sich schon sehr darauf, weil er dann seinem geliebten Obergölchenwanger Grat noch ein bisschen näher sein konnte. Er hatte den Blick auf diesen schroffen Berg und die ganze Nagelfluhkette während der gesamten Zeit seiner Abwesenheit vermisst. Sie mussten den steilen Stich am Färberhaus vorbei bis zu den ersten Häusern des oberen Weißachdorfes und von dort etwa dieselbe Strecke quer nach rechts reiten, um zum Hösshof zu gelangen. Wenn ihnen der hohe Schnee keinen Strich durch die Rechnung machen würde, könnten sie mittags wieder zurück sein.

    Während sie zum Hösshof ritten, erklärte der Kastellan Eginhard kurz den Grund ihres Besuches. Bauer Höss hatte ihn gestern besucht und ihm eine Notschlachtung angezeigt. Üblicherweise mussten Schlachtungen jeder Art umgehend beim Oberamt in Immenstadt angemeldet werden. Da es sich aber um einen Notfall gehandelt hatte, war dem Bauern keine andere Möglichkeit geblieben, als sich im Nachhinein noch schnell an den Kastellan zu wenden und auf unbürokratische Handhabung zu hoffen. Eginhard wusste, dass sein Vater den braven Bauer schon länger kannte und schätzte, weswegen er ihm kein Schindluder zutraute. Den restlichen Weg schwiegen die beiden.
    Kurz bevor sie ihr Ziel erreichten, sagte der Kastellan: »Rochus hat viele Mäuler zu stopfen und eine kranke Frau, die wieder zu Kräften kommen muss. Außerdem hat er in Weißach unten Verwandte, denen er auch dringend etwas Fleisch abgeben müsste.«
    Dass der Bauer nicht gejammert und ihn um nichts gebeten hatte, imponierte dem Kastellan. Das bestätigte ihm, dass Rochus redlich gehandelt und nicht danach getrachtet hatte, dem Grafen zu verwehren, was des Grafen war.
    Beim Hösshof angekommen, kam ihnen der Bauer winkend entgegen und begrüßte sie herzlich. Aber der Kastellan ließ heute nicht allzu viel Nähe zu und kam ohne Umschweife zur Sache: »Du weißt, dass eine Seite der beiden feinen Herrenstücke als Sonderabgabe fällig ist. Wenn wir dieses Stück nach Immenstadt bringen, tun wir recht und müssen niemanden scheuen«, gab er das Gebot vor und fuhr fort: »Andererseits ist die gräfliche Familie nicht da, und es besteht die Gefahr, dass sich die wenigen in Immenstadt verbliebenen Beamten das gute Fleischstück ungerechtfertigterweise teilen … immerhin ist bald Weihnachten, und da hat jeder gerne einen saftigen Braten auf dem Tisch. Außerdem wäre dies nicht das erste Mal, das sie ihr Amt auf diese Art missbrauchen.«
    Die Augen des Bauern, der schon merkte, worauf der Schlossverwalter des Grafen hinauswollte, begannen dankbar zu glänzen.
    »Freu dich nicht zu früh!«, mahnte der Kastellan, der den erfreuten Gesichtsausdruck seines alten Bekannten wohl zu deuten wusste. »Damit ich es vor meinem Gewissen rechtfertigen kann, bitte ich dich um ein schönes Stück Fleisch für die Familie des Wachsziehers. Die hat es ganz besonders hart getroffen. Alle Bienenstöcke wurden ihm gestohlen, danach ist seine Werkstatt abgebrannt, und letztendlich ist auch noch seine einzige Tochter an der … Pest gestorben.«
    »Ja!«, lachte Rochus Höss und bemühte sich um einen ernsten Gesichtsausdruck. Dabei bleckte er seine faulen Zähne. »Aber Ihr bekommt das beste und größte Stück«, bestand der Bauer, der dem Wachszieher alles erdenklich Gute gönnte, voreilig auf seiner Art der

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