Die Pestspur
zum Gruße!«, riefen sie sich gegenseitig freundlich winkend zu. Obwohl sie es eilig hatte, kam Konstanze nicht umhin, hier und da ein kurzes Schwätzchen zu halten.
»… und was doch der Eginhard für ein gestandener Mann geworden ist«, mussten alle loswerden, die sich an diesem Wintermorgen mit Konstanze unterhielten.
»Stimmt es, dass Euer Lodewig etwas mit der Jüdin hat?«, wurde sie von Hemmo Grob, der ebenfalls dabei war, den Schnee vor seinem Haus wegzuräumen, gefragt.
Aber Konstanze ließ sich nicht darauf ein und eilte weiter ihrem Ziel entgegen. Als sie am ›Löwen‹ vorbei den Berg hinunterstapfte, sah sie schon von weitem, dass vor dem Haus des Blaufärbers nicht geräumt worden war.
»Ein schlechtes Zeichen«, grübelte sie leise.
Als sie am Haus ankam, stellte sie erschrocken fest, dass der Wind eine dicke Schneewächte an der Eingangstür hochgezogen hatte. Konstanze sah, dass hier auch während der Feiertage nicht geräumt worden war. Nachdem sie sich durch den Schnee mühsam bis zum Eingang gekämpft hatte, klopfte sie erst etwas zaghaft an die Tür, dann fester, und als sich nichts rührte, schlug sie mit beiden Fäusten so fest auf das Holz, dass ihre Handballen schmerzten. Sie versuchte mit aller Kraft, die Tür aufzuziehen, was sie aber wegen der schweren Schneewächte nicht schaffte.
»Ist sie überhaupt abgeschlossen?«, fragte sie sich und fing an, laut zu rufen.
Sie stapfte zu den Fenstern links und rechts des Einganges, um einen Blick hineinzuwerfen, was ihr aber wegen der Eisblumen an den Glasscheiben nicht gelang. Durch die Kraftanstrengung musste sie nicht enden wollend und so stark husten, dass ihr blutiger Schleim aus dem Mund troff. Sie wusste, dies war ein untrügliches Zeichen dafür, dass mittlerweile ihre Atmungsorgane angegriffen waren. Sie wusste wegen der Eisblumen jetzt aber auch, dass hier nicht geheizt wurde.
»Es wird da drin doch nichts geschehen sein?«, fragte sie sich und malte sich schon wieder das Allerschlimmste aus.
Sie bekam Angst und wusste nicht, was sie tun sollte. Ratlos stand sie da, faltete die Hände und drückte sie ganz fest an ihre schmerzende Brust.
»Lieber Herrgott, lass es nicht wahr sein.«
Als sie sich etwas beruhigt und ihren bisher schwersten Hustenanfall überstanden hatte, wandte sie sich schlagartig ab und arbeitete sich keuchend durch den Schnee vom Haus weg und den Weg hoch, den sie gekommen war. Dabei machte ihr die kalte Luft, die sich wie heiße Blitze ihren Weg in die Lungenflügel zu bahnen schienen, zu schaffen. Im Dorf angekommen, überfiel sie schon wieder eine nicht enden wollende Hustenattacke, die mit Schweißausbrüchen und einem starken Stechen in der Brust einherging. Sie blieb so lange stehen, bis sie sich wieder einigermaßen erholt hatte.
Als sie hastig durch das Dorf lief, merkten die Leute, dass mit der Frau des Kastellans etwas nicht in Ordnung war.
Auf den Gedanken, dass sie Hilfe benötigen könnte, kam aber niemand – zu sehr waren sie mit sich selbst beschäftigt.
Das mühsame Stapfen durch den hohen Schnee machte Konstanze sehr zu schaffen und ließ sie nicht schnell genug vorwärts kommen. Jetzt erst merkte sie, wie schwach sie eigentlich schon die ganzen letzten Wochen gewesen war und dass sie sich zu viel zumutete. Als sie zum Anfang des steilen Stiches kam, der zum Schloss führte, war sie mit den Kräften fast am Ende. Da das Schloss seit Weihnachten von fast niemandem verlassen worden war, hatte hier auch niemand geräumt. Und Lodewig war, wenn er Sarah besucht hatte, durch den tiefen Schnee gestapft. Konstanze wusste nicht, wie sie in ihrer Verfassung dort hochkommen sollte. Jetzt geriet zu ihrem schlechten seelischen Zustand auch noch ihre körperliche Verfassung außer Kontrolle. Sie hoffte auf göttliche Hilfe und schickte ein Stoßgebet zum Himmel, während sie tapfer versuchte, sich weiter durch den Schnee zu kämpfen, indem sie in die Fußstapfen, die sie beim Herweg hinterlassen hatte, trat. Sie spürte, dass ihre Kräfte sie zu verlassen drohten. Ihr blieb nichts anderes übrig, als laut nach ihrem Mann zu rufen. Je lauter sie aber rief, umso mehr musste sie husten und umso mehr schmerzten Hals, Brust und Glieder. So drangen ihre Rufe nicht bis in den mauergeschützten Schlosshof, geschweige denn in die Räume hinein. Und da auch noch der Schnee seine dämmende Wirkung entfaltet hatte, hörte man sie auch nicht im direkt hinter ihr liegenden Dorf. Wer also sollte sich um sie
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