Die Pestspur
sind, haben wir gesehen, dass alles dunkel war …«
»Ja! Und deswegen haben wir gedacht, dass er nicht da ist«, mischte sich Lodewig schon wieder ein.
Eginhard deutete ihm mit einer Handbewegung, still zu sein und ihn erzählen zu lassen.
»Jedenfalls haben wir an die Tür geklopft und Geräusche gehört. Also haben wir weiter geklopft und gerufen. Erst nach einer Weile hat der Wachszieher geöffnet, und wir haben gesehen, dass er ganz allein im Dunkel gesessen ist.«
»Er hat viel Unglück erleiden müssen. Seine Tochter ist der vermeintlichen Pest zum Opfer gefallen und …«, wollte der Vater Eginhard aufklären, merkte aber schnell, dass seine Söhne dies bereits wussten.
»Ja, Vater«, sagte Eginhard höflich und berichtete weiter: »Als wir ihm das Fleisch gegeben haben, hat er zu weinen begonnen und gesagt, dass er kein Brennholz hat, um es braten zu können und dass seine Zähne zu schlecht seien, um es roh zu kauen.«
»Ich glaube, dass ich jetzt verstehe, warum ihr so lange bei ihm gewesen seid«, sagte Konstanze mit einem entschuldigenden Blick.
»Ja, Mutter, du ahnst richtig. Wir haben ihm geholfen: Während Lodewig das Fleisch in kleine Stücke geschnitten hat, bin ich zum Propst gegangen und habe ihn um Holz gebeten.«
»Und? Habt ihr welches bekommen?«, fragte der Vater, der wusste, dass Johannes Glatt ein Geizhals war.
»Ja, Vater. Er war übergroßzügig und hat mir so viel Holz mitgegeben, dass ich mir seinen Schubkarren ausleihen musste. Außerdem hat er mir sogar noch Brot und eine Kanne Wein mitgegeben.«
»Ich glaub’ es nicht«, rief der Vater und schüttelte den Kopf.
»Doch, es stimmt schon«, bestätigte Lodewig und erzählte den Rest: »Wir haben ein Feuer gemacht und einen Teil des in Portionen geschnittenen Fleisches gebraten. Den Rest haben wir hinter dem Haus …« Lodewig schluckte, »dort, wo früher seine Werkstatt war, vergraben und mit Brettern zugedeckt.«
»Ich bin zwar stolz auf euch«, sagte die Mutter, wollte aber nicht zu viel loben. »Und das hat so lange gedauert?«
»Natürlich nicht, Mutter. Es ist Weihnachten. Der arme Mann war traurig und einsam«, heischte Eginhard um Verständnis und überließ Lodewig das Schlusswort: »Deswegen haben wir uns noch so lange mit ihm unterhalten, bis es einigermaßen warm geworden ist und das Fleisch durch war. Als er uns einen Schluck vom Wein des Propstes angeboten hat, konnten wir doch nicht Nein sagen – oder?«
»Außerdem sind sie ja pünktlich zur Vesper gekommen«, beendete der Kastellan, der innerlich auf das Verhalten seiner Söhne stolz war, das Thema und wandte sich an seine Frau: »Nun weißt du Bescheid. Und jetzt könntest du getrost zugeben, dass deine Söhne recht getan haben.«
Nachdem die Mutter aufgestanden war und ihre beiden Söhne wortlos an ihr Herz gedrückt hatte, war alles wieder in Ordnung und der Weihnachtsfrieden hergestellt. Sie schenkte allen noch etwas Wein ein und stieß mit ihren Lieben auf die Gesundheit an. Dass Lodewig das unverdünnte und deswegen starke Getränk zu Kopf steigen könnte, bedachte sie nicht – sie war einfach glücklich … zumindest in diesem Moment des häuslichen und des familiären Friedens.
Sie unterhielten sich noch lange über Verschiedenes, in erster Linie aber über Lodewigs und Sarahs Zukunft. Irgendwann begann auch Konstanze zu gähnen und wollte sich mit Ulrich zurückziehen. Aber der Vater mochte das Wunderbare und Unglaubliche des gerade in der Heiligen Nacht von seinem mittleren Sohn Gehörten noch etwas verdauen. »Nur noch eine Pfeifenlänge«, bat er und genoss es sichtlich, seine Söhne bei bester Gesundheit um sich zu haben.
Nur das mittlerweile ständige Gehuste seiner Frau bereitete ihm Sorge und ließ ihn immer wieder unauffällig zu Eginhard blicken.
So saßen sie noch ein Weilchen zusammen und unterhielten sich. Je länger sie schwatzten, umso mehr näherten sie sich doch noch unangenehmen Themen. Dementsprechend ließ es sich trotz des Heiligen Festes nicht vermeiden, dass sie wieder auf die vermeintliche Pest, die Wasserleiche und auf die Blaufärber-Familie zu sprechen kamen. Die Quintessenz daraus war, dass Konstanze beharrlich darauf bestand, sie sofort nach den Weihnachtsfeiertagen zu besuchen, um sich nach deren Befinden und nach Otward zu erkundigen.
»Das muss doch nicht zwischen den Jahren sein«, warf der Vater wieder ein.
»Du gehst mit Eginhard doch auch gleich nach den Feiertagen zum Propst, um mit ihm über den
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