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Die Pestspur

Die Pestspur

Titel: Die Pestspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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schürzte.
    »Ihr seid damit einverstanden?«, wollte der Kastellan bestätigt wissen.
    »Nein!«, schnarrte es ihm entgegen. »Einen Staufner müsst Ihr mir schon benennen – wenigstens einen. Das ist doch sehr entgegenkommend von mir. Oder etwa nicht?«
    Der Kastellan und der Propst schauten sich an und nickten eilig. »Doch, doch. Aber …«
    »Einen!«, ließ der Richter keine Diskussion zu und hob zur Unterstreichung seines Ansinnens den rechten Daumen so, als könnte dieser wie im alten Rom über Tod oder Leben entscheiden.

    Die beiden überlegten kurz, bevor der Ortsvorsteher auf Zeit sagte: »Also gut. Ich setze an meiner Statt den Leinweber Melchior Henne ein. Er ist derjenige unter den jungen Staufnern, der das Amt eines Beisitzers am ehesten ausfüllen kann. Er hat …«
    »Na also«, unterbrach der Richter grinsend. »Es geht doch.«
    Nachdem dies geklärt war, ließ sich Hans Zwick vom Kronenwirt noch eine kräftige Suppe reichen, um frisch gestärkt an die Arbeit gehen zu können. Da der Landrichter gesundheitlich etwas angeschlagen war und zudem die Bohnen umgehend Wirkung zeigten, musste die Gerichtsverhandlung etwas warten. Diese Zeit nutzten der Pfarrer und sein Freund Ulrich, Melchior Henne über den Wunsch des Richters zu informieren und ihn als Beisitzer zu bestallen.
    »Ich? – Warum ausgerechnet ich?«, wollte Melchior wissen.
    Der Kastellan klopfte ihm auf die Schulter und sagte: »Weil es der Richter so will.«
    Also tat der rechtschaffene Handwerker, was von ihm verlangt wurde.

    Nachdem der Zeremonienmeister mit dem Marschallstab drei Mal so fest auf den Boden geklopft hatte, dass es staubte, waren die Immenstädter Gesandten in ihre weichen Sitzkissen, die sie extra hierfür aus Immenstadt mitgebracht hatten, gesunken. Schließlich wollten sie es trotz des unangenehmen Grundes ihres Zusammentreffens so gemütlich haben, wie irgend möglich. »Ein gutes Gewissen ist den Städtlern wohl das beste Ruhekissen«, lästerte der Kastellan, der – wie auch Propst Glatt und Melchior Henne – auf einem Stuhl ohne Kissen Platz genommen hatte.
    Nur der Angeklagte stand – von zwei Soldaten im vollen Kürass flankiert – wie ein Häufchen Elend vor dem schlichten Dreifüßler, auf dem er bereits während seiner ersten Vernehmung gesessen hatte und den Ulrich Dreyling von Wagrain im Auftrag des Richters extra vom Schloss hatte mitbringen müssen.
    Und wieder staubte es.
    »Der ehrenwerte Herr Landrichter Hans Zwick aus Immenstadt!«, rief der Zeremonienmeister so laut, dass man es sogar auf der Straße hören konnte.
    Als alle ehrerbietig aufgestanden waren, um sich gleich darauf wieder hinzusetzen, erklärte der kleine Mann mit dem neckischen Spitzbärtchen, Hugo Reichsgraf zu Königsegg-Rothenfels als Inhaber des Blutbanns habe ihn zum Vorsitzenden des heutigen Gerichtes ernannt, sein durchlauchtigster Herr – nun kam eine ganze Litanei von Titeln – sei bedauerlicherweise in Konstanz unabkömmlich, weil … Die durchwegs gelogene Aufzählung an Begründungen dauerte sogar noch länger als die Aneinanderreihung der Titel des Regenten.
    Nachdem er festgestellt hatte, dass das Gericht mit Mehrheit besetzt und urteilsfähig war, vergatterte er die zwölf Beisitzer en bloc, wobei er nur den etwas verschüchtert wirkenden Melchior Henne namentlich und in dessen Eigenschaft als offensichtlich verantwortungsvollen Jungspund lobend hervorhob. Dabei konnte er es sich nicht verkneifen, über die Absagen der Älteren abzulästern.
    Danach wollte er an die Urteilssprecher etliche Fragen richten. Zunächst aber musste er wissen, ob die Urgicht und die Aussage des Delinquenten verlesen werden sollten und ob das, was Heinrich Schwartz bei seiner Vernehmung im Schloss Staufen gesagt hatte und was in den Vernehmungsprotokollen haarklein festgehalten worden war, glaubwürdig sei. Auf die Verlesung der Urgicht hin fragte er sichtlich gereizt, ob nun allen Ernstes auch noch das dreißigseitige Vernehmungsprotokoll verlesen werden müsse. Nachdem dies von den sechs Immenstädter Beisitzern bereits vor der Verhandlung eingesehen worden war, bediente er sich dabei einer suggestiven Fragestellung, die nach ein paar unsicheren Blicken der ländlichen Beisitzer wie erwartet den erwünschten Erfolg zeitigte. Bevor sie sich den Unmut des Gerichtsvorsitzenden zuzogen, verzichteten die sechs Beisitzer aus dem rothenfelsischen Landgebiet auf die Verlesung des Protokolls und vertrauten stattdessen auf ihre städtischen

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