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Die Pestspur

Die Pestspur

Titel: Die Pestspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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konnte.

    Als sich der Vorsitzende angewidert dem Angeklagten zuwandte, hörten sie mit dem Getuschel auf und verfolgten wieder interessiert, was Zwick zu sagen hatte: »Noch nie habe ich einen derart bösartigen Massenmörder verurteilt. Wären wir noch im Mittelalter, müsste er wohl große Qualen erleiden. So aber spreche ich Recht, dass er unverzüglich gerichtet werde!«
    Es war mucksmäuschenstill. Irgendwie hatte sich eine Atmosphäre der Zufriedenheit breit gemacht. Selbst der apathisch dastehende Angeklagte erweckte den Eindruck, als wäre ihm eine Last genommen. Oder hofft er doch noch, dass ihn sein alter Kumpan retten würde?
    Wieder an die Beisitzer gewandt, fragte der Richter, auf welche Art der soeben Verurteilte nun zu Tode kommen solle. Zur Diskussion stellte er den Strang, das Köpfen und das Zerteilen des Körpers – seine drei Lieblingshinrichtungsarten … und das Rad, das er natürlich aber aus Gründen, die in seiner Kindheit lagen, nicht unbedingt bevorzugte.
    »Vierteilen!«, schallte es ihm vielkehlig entgegen.
    Bei der jetzigen Diskussion legten sich die bisher eher wortkargen Beisitzer so richtig ins Zeug. Aber sie mussten schnell feststellen, dass zum sachgemäßen Vierteilen außer dem Carnifex, wie der Nachrichter im rothenfelsischen Gebiet genannt wurde, auch noch vier Henkersknechte, zumindest aber vier Roßknechte, benötigt würden, obwohl es eine hoheitliche Aufgabe des Vollstreckers war, dem Verurteilten bei lebendigem Leibe erst der Länge nach, dann durch Brust und Bauch, den Körper aufzuschlitzen, damit nicht nur die Gliedmaßen abgerissen, sondern der Korpus ordentlich in vier Einzelteile geteilt werden konnte. Außerdem würden hierzu kräftige Zugpferde benötigt. Da Pferde in Staufen äußerst rar waren, entspann sich eine neuerliche Diskussion.
    »Wie wäre es mit den Rössern der Wachsoldaten?«, schlug einer vor.
    Bertram Schweiger, Leiter des gräflichen Marstalles zu Immenstadt, der die Kutsche des Richters nach Staufen gelenkt hatte, winkte ab und begründete dies sogleich mit seiner langjährigen Erfahrung bei Vierteilungen: »… auch nicht, wenn an Arme und Beine des Delinquenten jeweils zwei Pferde gebunden würden. Zu hoch wäre das Risiko, dass die unruhigen Tiere scheuen oder ungleich anziehen, was zur Folge hätte, dass die Glieder nicht gleichzeitig, sondern nacheinander vom Rumpf gerissen würden. Dementsprechende Schmerzen würde der da …« Schweiger zeigte mit einer abschätzigen Handbewegung zum Medicus, »zu erleiden haben, was zwar kaum jemanden stören, die Vollstreckung aber als ›nicht gelungen‹ im Raum stehen lassen würde.«
    So überlegte man weiter, wie verfahren werden könnte.
    »Ideal wären Noriker«, ergriff der Marstallleiter, der meinte, seine Fachkompetenz ausspielen zu müssen, wieder das Wort. »Das solide Arbeitspferd eignet sich durch sein achthundert bis tausend Pfund schweres Gewicht und seine kurzen Beine ideal zum Vierteilen und …«
    »Aber die schweren und kräftigen süddeutschen Kaltblüter müsste man erst aus Immenstadt oder aus der Pferdestadt Lindenberg herbeiholen. Da dies zu viel Zeit in Anspruch nehmen würde und währenddessen die Gefahr der Selbstjustiz durch die Bevölkerung bestünde, muss auf die Wunschtodesart der Beisitzer wohl oder übel verzichtet werden«, unterbrach der Vorsitzende, der jetzt keinen Vortrag über Pferderassen hören wollte, weil er selbst viel darüber wusste.
    »Köpfen kommt auch nicht in Frage, da sich das alte Richtschwert der Montforter Grafen derzeit nicht in Staufen befindet«, antwortete der interimistische Ortsvorsteher, nachdem er vom Richter danach gefragt worden war. Gerne hätte Zwick wenigstens dieses Werkzeug zum Einsatz gebracht. Die zweischneidige, achtzig Zentimeter lange und fünf Zentimeter breite Klinge mit der abgerundeten Spitze war in Staufen schon ewige Zeiten nicht mehr benutzt worden.
    Gerne hätten es auch die Beisitzer – wenn schon nicht gevierteilt werden konnte – gesehen, dass diese Klinge surrend auf den Hals des Verurteilten herunterschnellen, das Blut sichtbar für jedermann aus den Halsarterien spritzen und aus dem Kopf herauslaufen würde, wenn ihn der Vollstrecker hochhalten würde, um den Erfolg seiner Arbeit zu präsentieren. Da dies aber nicht möglich war, entschlossen sie sich notgedrungen – mit einer Gegenstimme – für den aus ihrer Sicht langweiligen Tod durch Erhängen.
    »Das ist gut! Köpfen geht sowieso zu schnell und ist zudem

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