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Die Pestspur

Die Pestspur

Titel: Die Pestspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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spinnst du jetzt ganz? Unsere Söhne befinden sich in Lebensgefahr, und du tust so, als ob nichts geschehen wäre!«
    Da Ulrich längst akzeptiert hatte, dass seine über alles geliebte Frau laut herumbrüllen konnte, wenn ihr etwas gegen den Strich ging, sagte er jetzt überhaupt nichts mehr. Zu Hause führt sie das Regiment, lächelte er bei sich und nuckelte an seiner Pfeife. Dass er zwar ein allseits respektierter Mann, aber vielleicht etwas zu vorsichtig war, passte manchmal nicht zu seiner Frau, die bei jeder Kleinigkeit aus der Haut fahren konnte. Da er wusste, dass dies der einzige Punkt war, in dem sie sich gewaltig unterschieden, vielleicht sogar nicht zusammenpassten, nahm er sich bei solchen Gelegenheiten meist zurück. Viel wichtiger war ihm, dass sie eine allseits respektierte – wenn auch nicht unbedingt beliebte – Frau und eine gute Mutter war, die ihren Haushalt bestens im Griff hatte. Wenn er von ihr auch noch etwas mehr körperliche Zuneigung bekommen würde, könnte er sogar ihre Wutausbrüche besser ertragen. Wie lange es her war, dass er ihr hatte beischlafen dürfen, wusste er schon längst nicht mehr. Bei diesem Gedanken musste er seufzen.
    Da die kluge Frau im Gegenzug auch seinen einzigen Schwachpunkt kannte und wusste, dass sie ihm jetzt zusetzen konnte, wie sie wollte, damit aber nichts erreichen würde, setzte sie – wie so oft bei derartigen Situationen – auf weibliche Diplomatie. Sie legte ihre Hand auf seine Wange und schaute ihn so an, wie er es sich öfter wünschen würde. »Du hast recht Ulrich: Wir müssen die Kinder fragen, was genau sie gehört haben.« Kaum hatte sie dies gesagt, stand sie auf, ging zur Tür und rief nach den beiden. »Wir wärmen aber nicht die Sache als solche auf. Wir fragen sie nur danach, was sie gehört haben«, sagte sie noch schnell in befehlendem Ton.
    »Gut«, bestätigte Ulrich ihre gewünschte Vorgehensweise, musste aber feststellen, dass dies nicht alles war.
    »Und du schimpfst sie noch einmal richtig und verbietest ihnen, das Schloss je wieder ohne Erlaubnis zu verlassen«, ergänzte sie ihre Wunschliste noch schnell, bevor ihre Kinder zurückkamen.
    »Meinst du nicht, dass die – nach dem, was sie gestern erlebt haben – ohnehin genug haben?«, kam eine der typisch laschen Bemerkungen ihres Mannes, auf die sie eine Antwort parat gehabt hätte, wenn die Buben nicht genau in diesem Moment die Tür aufgestoßen hätten.
    »Setzt euch!«, gebot die Mutter streng und stellte ihnen einen Becher Apfelmost hin.
    »Und nun erzählt uns, was genau ihr auf dem Kirchhof gehört habt.«
    Konstanze sah ihre Kinder fragend an. Als ihre Augen auf Diederich trafen, sagte der Kleine: »Ich habe überhaupt nichts gehört.«
    »Aber du warst doch dabei. Also musst du etwas gehört haben«, sagte der Vater mit sanfter Stimme.
    Diederich überlegte.
    »Ich hab’ sie erst für Geister gehalten«, gab er kleinlaut zu.
    Die Eltern sahen sich an.
    »Hast du denn einen dieser Männer schon einmal auf dem Markt gesehen?«, fragte die Mutter.
    Diederich schüttelte den Kopf und wollte wieder zum Spielen gehen.
    Die Mutter lächelte verständnisvoll und strich ihm übers Haar.
    »Geh nur, mein Schatz.«
    »Das war ja wohl klar«, rügte der Kastellan seine Frau.
    »Das weiß ich selber!«, pfurrte sie zurück und wandte sich an Lodewig, der sich über den rüden Umgang seiner Eltern miteinander wunderte.
    »Entschuldige, mein Sohn, aber die Sorge um euch hat uns total durcheinander gebracht«, bat der Kastellan um Verständnis und reichte demonstrativ seiner Frau eine Hand.
    Lodewig nickte steif. Ihm wäre lieber, wenn die Mutter endlich sagen würde, was sie von ihm wollte. Immerhin stand das erwartete Donnerwetter noch aus. Aber stattdessen wurde ihm nur die gleiche Frage gestellt wie kurz zuvor Diederich.
    Erleichtert antwortete Lodewig darauf: »Wie ich euch schon gesagt habe, war nur der Totengräber zu erkennen. Von dem anderen Mann haben wir absolut nichts gesehen. Wäre Diederich nicht dabei gewesen, hätte ich vielleicht meine Position verändert, um ihn sehen zu können. So aber wäre dies viel zu gefährlich gewesen.«
    »Hast du wenigstens verstanden, was er gesagt hat?«, drängte die Mutter.
    Lodewig schüttelte den Kopf. »Nein! Er hat ja fast nichts gesagt.«
    »Würdest du denn seine Stimme wiedererkennen?«, wollte der Vater wissen.
    Lodewig zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht. Er hat zwar eine kratzige Stimme gehabt, aber wie gesagt: Er

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