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Die Pestspur

Die Pestspur

Titel: Die Pestspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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fasste sie sich jetzt schnell wieder und befahl mit gewohnt energischem Ton: »Ab zur Waschschüssel und dann auf eure Lagerstätten … und zu essen gibt es heute nichts mehr!«
    Lodewig betete im Stillen, dass dies die ganze Strafe bleiben würde. Da er aber nur noch einen Schuh besaß und wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis die Mutter dies bemerken würde, war seine diesbezügliche Hoffnung nicht allzu groß.
    »Wenn eure Mutter erfahren würde, was ihr alles erlebt habt, hätte sie heute Nacht schlimme Träume«, meinte der Vater Lodewig gegenüber und war froh, dass seine Söhne erst am nächsten Tag die heutigen Geschehnisse erzählen mussten.
    Die besorgte, aber überglückliche Mutter schaute diese Nacht besonders oft in die Bubenkammer und deckte Lodewig – der sonst wie ein Murmeltier schlief, heute aber einen besonders unruhigen Schlaf hatte – immer wieder zu. Diederich hingegen war so erschöpft, dass ihn nicht einmal der im Wind klappernde Fensterladen aufzuwecken vermochte.
    Konstanze stellte ihrem Mann zum abendlichen Mahl einen Krug seines Lieblingsweines hin und holte ihm sogar seine Pfeife. Es dauerte, bis sie sich von dem Schrecken erholt hatten und sich in ihre Schlafkammer zurückzogen.

    *

    Im meistgenutzten Raum des Vogteigebäudes traf sich die Familie nicht nur zum Essen, sondern auch zum gemütlichen Beisammensein und zum Reden. Einerseits, weil die Küche der einzig beheizbare Raum, andererseits, weil es hier richtig gemütlich war. Zwei große Fenster ließen so viel Licht herein, dass das Zimmer ungewöhnlich hell wirkte. An den Wänden waren Regale angebracht, und in der Ecke hing ein Kruzifix, hinter dem – je nach Jahreszeit – Blumen, Palmbuschen oder, wie jetzt, Silberdisteln steckten. Dem Herd gegenüber stand ein großer Tisch, unter dem sogar ein Teppich lag. Wenn man etwas zusammenrückte, hatten daran bis zu zwanzig Personen Platz.
    Als Konstanze ihre Söhne weckte, war der Tisch für die Morgensuppe bereits gedeckt. Obwohl kein Feiertag war, hatte sie heute das gute Geschirr, das ihr ›die Gnädige‹, Gräfin Maria Renata zu Hohenzollern-Sigmaringen, die Gemahlin des Regenten, wegen einiger kleiner Beschädigungen überlassen hatte, aus dem Schrank geholt. Da sie ohnehin nicht mehr hätte schlafen können, hatte sie schon in aller Herrgottsfrühe frisches Brot gebacken. Dabei war sogar das letzte Mehl aufgebraucht worden. Dies war der ansonsten auf eine gute Vorratshaltung bedachten Hausfrau heute ausnahmsweise egal gewesen. Am bevorstehenden Markttag würde sie wieder Getreide, womöglich sogar fertig gemahlenes Mehl und andere Lebensmittel bekommen, um ihre Vorräte auffüllen zu können. Sollte es ganz eng werden, würde ihr kurzfristig Bäcker Föhr aushelfen müssen.
    Durch den guten Duft angelockt, musste die Mutter nicht zweimal zu Tisch bitten. Wie immer fassten sich die Familienmitglieder erst an den Händen und sprachen ein kurzes Gebet, bevor sie die Brotbrocken in die mit Wasser verdünnte Milch tunkten.
    »Lieber Herr im Himmel, wir danken dir, dass du unsere Kinder wieder gesund zurückgebracht hast«, fügte die Mutter dem Schluss des Gebetes hinzu.
    »Ich bin nicht der liebe Herr im Himmel«, schmunzelte der Kastellan und fing sich dafür einen missbilligenden Blick seiner gottesfürchtigen Frau ein.
    Nach der Morgensuppe, zu der es heute ausnahmsweise auch Honig und Schmalz gegeben hatte, konnte es Konstanze nicht mehr erwarten, weswegen sie sich unumwunden an ihren mittleren Sohn wandte: »So, Lodewig, nun erzähl uns in aller Ruhe die gestrigen Begebenheiten. Aber sag uns auch alles offen und ehrlich.«
    Nachdem der junge Mann genickt und sich den Mund abgewischt hatte, sprudelte es nur so aus ihm heraus. Er war froh, alles loswerden zu können, ohne dass ihn eine allzu große Strafe erwarten dürfte. Dies gab ihm den Mut, nun doch von seinem Leichenfund zu erzählen.
    Die Mutter hörte zuerst nur aufmerksam, dann zunehmend entsetzt zu, bevor sie Lodewig unterbrach und die Hausmagd zu sich rief. Sie wollte nicht, dass ihr Jüngster die Sache mit der toten Frau und das, was er gestern auf dem Kirchhof erlebt hatte, heute schon wieder hören musste.
    »Rosalinde, sei so gut und nimm Diederich ein Weilchen mit zu dir.«
    »Gut so!«, gab ihr der Vater recht und bat Lodewig, weiter zu erzählen.
    Obwohl beiden Elternteilen das Entsetzen vom ersten Satz an in die Gesichter geschrieben stand und sie tausend Fragen hatten, unterbrachen sie ihn

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