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Die Peststadt

Die Peststadt

Titel: Die Peststadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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nach dem Rest von Tainnia leicht. Wenn auch Elvinon gefallen ist...«
    Elivara wischte sich den Schweiß und den Ruß von der Stirn. »Sie dürfen Nyrngor nicht bekommen.«
    Torm Shar lachte dröhnend auf, aber in seinem Gelächter schwang Verzweiflung mit. »Wir würden sie in die See zurücktreiben und ihre Schiffe verbrennen, Königin! Aber in unserer Stadt herrschen Verrat, Intrigen und Meuchelmörder. Denke an deine Eltern!«
    Elivara hob ihren ungeschützten Kopf über die Brustwehr, wich einem Trupp vorbeikeuchender Soldaten aus und sah auf dem Felsen, der das südwestliche Ende der Hafenbucht kennzeichnete, eine einzelne Gestalt stehen. Es war ein Caer. Sie glaubte ihn zu kennen. Es konnte niemand anders sein als Coerl O'Marn, der legendäre Nachkomme der Alptraumritter.
    »Wie könnte ich nicht an meine Eltern denken!« fuhr sie auf.
    »Ihr Tod geschah im Auftrag der Caer. Ich kann es nicht beweisen, aber du und ich«, grollte Torm, »wir wissen es.«
    »Wahrscheinlich hast du recht«, meinte die Königin.
    Er bewunderte die junge Frau, die von Tag zu Tag reifer wurde und ihre von Verzweiflung diktierte Rolle als Nachfolgerin der Königsfamilie mit Kühnheit und Mut erfüllte. Sein Herz und sein Arm gehörten ihr und der Stadt. »Nicht nur wahrscheinlich, Elivara«, wiederholte er. »Aber jetzt sollten wir das Tor freikämpfen. Die Dunkelheit lässt nicht mehr lange auf sich warten.«
    Er sprang zur Seite und wand den Bogen aus den Fingern eines toten Bogenschützen. Er lehnte den vollen Köcher gegen die Brustwehr und zog Pfeil um Pfeil aus dem Bündel und jagte die Geschosse hinunter zu den Caer, die im Halbkreis um das Hafentor unentwegt angriffen.
    Elivara spähte zwischen den schartigen Steinkanten in die Richtung des Hafens. Unverändert lagen dort fünf Dutzend Caer-Schiffe. Die drei prächtigsten Schiffe ankerten abseits der Zwanzigruderer. Die düstere Gestalt O'Marns stand noch immer auf dem Felsen. Boten kamen und gingen und wurden von ihm abgefertigt. Er war unzweifelhaft der Anführer der Belagerer.
    Schweigend und in erbitterter Wut jagte Torm Shar seine Pfeile in die Reihen der Ramm-Mannschaft. Das Dröhnen und Krachen des Widderkopfs hatte aufgehört. Tote und stöhnende Verwundete lagen rechts und links des Tores. Jetzt schleppte eine Frau große Bündel von groben Pfeilen mit dick umwickelten Spitzen die Steintreppe zur Tormauer herauf. Ein Junge folgte ihr, der einen eisernen Glutkorb trug. Torms Stimme donnerte und gab einige Befehle. Bogenschützen rannten der Alten entgegen und rissen ihr die Geschosse aus den Händen. Elivara erkannte, dass ihre Anwesenheit hier nicht mehr nötig war. Während sie zum Torplatz hinunterstieg und ihre Leibgarde suchte, dachte sie wieder voller Sorge an die ersten Pestfälle. Seit langer Zeit traten die Erkrankungen auf. Die Menschen in der Stadt, die dicht gedrängt wohnten, steckten sich gegenseitig an. Viele waren krank, viele waren gestorben. Am Rand des Schlossplatzes wurden die Gräber ausgehoben.
    Elivara blieb im Steigbügel stehen und hob ihre Streitaxt. Ihre Leibwächter versammelten sich um sie. Von der Mauer schössen Bogenschützen ihre Brandpfeile nach den Caer und setzten das hölzerne Dach über dem Widder in Brand.
    »Her zu mir, Männer!« rief sie. »Die Caer greifen auch an anderen Stellen an!«
    Niemand hatte damit gerechnet, dass die junge Prinzessin nach dem Mord an ihren Eltern sofort die Herrschaft ergreifen und die Verteidigung von Nyrngor in ihre Hände nehmen würde. Der Stadthauptmann hatte ihr geholfen und die Männer der Stadt, so gut er konnte, zu entschlossenen Verteidigern ausgebildet. Jeder Bewohner Nyrngors half mit allen seinen Kräften, und da die Mauern noch standen, befand sich Nyrngor noch immer in der Hand der neuen Königin Elivara. Wie lange noch - das konnte niemand sagen.
    Wieder galoppierte der Trupp los. Sie ritten zwischen der Mauer und den Hausfronten zum nächsten Tor. Die Hauswände waren übersät von den Einschlägen geschleuderter Steine, Speerspitzen steckten in den Balken, überall sahen die Gardisten die Spuren von kleinen und großen Bränden. Die Hufschläge klapperten über das Pflaster. Es war aufgerissen und voller Löcher, denn die Stadtbewohner hatten die Steine als Geschosse verwendet.
    Kurz vor dem nächsten Tor - es war niedriger und schmaler - rissen die Männer ihre Pferde hart zurück.
    Von einem Erker baumelte ein Strick, der in eine Schlinge auslief. Vier Männer hielten einen

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