Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Pfade des Schicksals

Die Pfade des Schicksals

Titel: Die Pfade des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
Vom Netzwerk:
verweigert hatte, fügte sie hinzu: »Aus meiner Sicht hast du praktisch ein Wunder vollbracht. Vielleicht reicht das aus, um alles Übrige zu kompensieren.«
    Esmer verzog das Gesicht; vielleicht versuchte er zu lächeln. »Dann gewähre mir ein Ende, Weißgoldträgerin.«
    Obwohl Linden entschlossen war, sich bei ihrer Heiltätigkeit nicht unterbrechen zu lassen, erstarrte sie jetzt. »Wie?« Mit einem einzigen Satz hatte Esmer wieder ihre ganze Verzweiflung geweckt. »Du kannst nicht…« Liand und Anele waren tot. Staves Sohn war tot. Sie hatte sie auf dem Gewissen. »Du kannst nicht erwarten, dass ich …«
    »Der Krill des Hoch-Lords liegt dort drüben.« Esmer nickte zu Jeremiah hinüber. »Er reicht aus, um mich zu töten. Du brauchst ihn mir nur ins Herz zu stoßen, damit ich Frieden finde.«
    Joans Wahn ließ den Schmuckstein nicht mehr pulsieren. Trotzdem leuchtete der Stein weiter, reagierte auf die ferne Theurgie ihres Rings.
    »Verdammt, Esmer!« Linden fluchte, um nicht zu jammern. Sie merkte, dass ihre Erdkraft schwächer wurde. Fast wäre ihr der Stab entglitten. »Du kannst mich nicht einfach auffordern, dich zu ermorden!«
    Nicht nachdem sie dieses Gemetzel verschuldet hatte …
    Untereinander schnatterten die Urbösen und Wegwahrer Unverständliches.
    Esmers Blick wurde vorwurfsvoll. »Dann muss ich bleiben, was ich bin - eine leere Hülle -, bis die Schlange mich verschlingt.«
    Das ist nicht mein Problem!, wollte Linden protestieren. Zu viele weitere Wunden warteten darauf, von ihr versorgt zu werden. Alle ihre Gefährten … Sie hätte Cails Sohn einfach den Rücken zukehren sollen.
    Aber das konnte sie nicht. Sie hatte Tausende von Lebewesen abgeschlachtet. Er war der Einzige, der den Tod wirklich brauchte.
    »Linden Riesenfreundin …«, begann die Eisenhand wie stöhnend. Dann verstummte sie, weil ihr die Worte fehlten.
    Stave schob plötzlich Galts Leiche zur Seite. Nachdem er seinen toten Sohn sanft auf die blutbefleckte Erde gelegt hatte, stand er auf und bückte sich nach Loriks Krill. Dann ging er mit dem Dolch in der Hand zu Esmer hinüber.
    Ohne das kleinste Zögern, den geringsten Zweifel erkennen zu lassen, stieß er Esmer den Dolch in den Rücken.
    Stave!
    Einen Augenblick lang waren Esmers Züge von Freude verklärt. Er hatte noch Zeit, einen dankbaren Blick gen Himmel zu schicken. Einen Herzschlag später verschwand er wie verblassender Rauch und ließ als einziges Zeichen dafür, dass er jemals existiert hatte, nur die Handfesseln zurück: Symbol und Auflösung seines unter Zwängen handelnden Wesens. Falls eine Spur seines Geists in der Luft zurückblieb, konnte Linden sie nicht sehen.
    Die Urbösen und Wegwahrer begannen wie auf ein Zeichen hin wild zu kläffen. Dann verstummten sie ebenso schlagartig wieder.
    Stave ließ den Dolch wütend oder angewidert fallen. Lindens verwirrtem Blick begegnete er völlig gelassen.
    »Das war kein Mord«, stellte er starr wie jeder seiner Stammesgenossen fest. »Das war ein Gnadenakt.«
    Nachdem er Linden gezeigt hatte, dass er bereit war, ihre Reaktion zu akzeptieren, wie immer sie auch ausfallen mochte, wandte er sich ab.
    Die Handfesseln blieben sekundenlang in dem Schlamm aus Blut und Gips liegen. Dann begannen sie zu verrosten. Der Zweck, für den sie geschmiedet worden waren, hatte sich erledigt. Jetzt schienen die Auswirkungen von Jahrtausenden das schwarze Eisen aufzulösen. Linden konnte zusehen, wie die rostigen letzten Überreste der Arbeit der Urbösen zerfielen. Bald waren sie nur noch ein weiterer Fleck auf dem dunkel gesprenkelten Weiß des Grats.
    Linden wünschte sich, auch sie könnte zu Rußflocken zusammensinken. Sie sehnte sich danach, Schluss machen zu können … Aber von ihr wurde erwartet, eine Heilerin zu sein, und sie hatte bereits Liands Tod zugelassen. Sie hatte ihrem Sohn nicht helfen können. In Andelain hatte sie Covenants kummervoller Tochter die einfachste Freundlichkeit verweigert. Auf diesem Grat hatte sie mehr Höhlenschrate niedergestreckt, als sie zählen konnte. Das Vermächtnis ihrer Eltern hüllte ihre Seele wie ein Leichentuch ein.
    Aber sie konnte nicht vorgeben, fertig zu sein.
    Und Stave hatte ihr eine Last abgenommen. Sein Gnadenakt war ebenso für sie bestimmt gewesen wie für Esmer.
    Sie verstand seinen Abscheu.
    Kummervoll und wütend auf sich selbst entlockte Linden Avery ihrem Stab weitere schwarze Flammen und nahm ihre Arbeit wieder auf.
    Stave würde sie bald brauchen. Mahrtiir

Weitere Kostenlose Bücher