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Die Pfade des Schicksals

Die Pfade des Schicksals

Titel: Die Pfade des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Aliantha. Doch die Hast der Ranyhyn steckte nun auch sie an. Je mehr der Tag voranschritt, desto sicherer stand für sie fest, dass sie und ihre Gefährten bald alle Kräfte brauchen würden. Sie hatte keine Ahnung davon, was vor ihnen lag. Aber sie mussten bereit sein.
    Zuletzt beugte sie sich tief zu Hyns Ohr hinunter und murmelte: »Ich möchte helfen, aber ich weiß nicht, wie ich um Erlaubnis bitten soll. Falls ich mich irre, verzeihst du mir hoffentlich.«
    Anfangs zögerlich, dann aber immer zuversichtlicher entlockte Linden ihrem Stab Erdkraft. Konzentrierte Flammen entrollten sich wie dunkle Ranken, wie die Bänder des Eifrigen, um Hyn, Hynyn und Khelen nährend zu umgeben.
    Hynyn warf den Kopf hoch und wieherte laut. Khelen tänzelte ein paar Schritte lang, als wollte er angeben. Hyns leises Schnauben klang liebevoll. Im nächsten Augenblick steigerten die drei ihr Tempo noch mehr, bis sie fast zu fliegen schienen.
    Offenbar waren die Pferde von Ra mit ihr einverstanden.
    Wenig später begann das Gelände sanft nach Süden und Osten abzufallen. Eine Zeit lang war der Untergrund noch ideal. Aber dann bestand der Boden wieder aus Sandstein und Schiefer, eine unsichere Oberfläche, die durch eingelagerte Felsblöcke und lose Schieferplatten noch gefährlicher wurde. Linden, deren Augen von der Geschwindigkeit tränten, zwang sich dazu, nach vorn zu sehen. In der Ferne stieg das Land wieder an. In Stufen und Terrassen baute es sich höher und höher auf, bis es von einem Grat, der einer lückenhaften Zahnreihe glich, abgeschlossen wurde. Der Anstieg war weder hoch noch steil, aber er reichte aus, um alles zu verdecken, was dahinter lag.
    Als sie nach oben sah, hatte sie den Eindruck, sie nähere sich dem Rand der Welt.
    Die Ranyhyn donnerten die letzte Schräge hinunter, überquerten eine Ebene, die der Boden eines in grauer Vorzeit ausgetrockneten Sees hätte sein können, und galoppierten den Gegenhang hinauf. Als sie sich dem Grat näherten, erkannte Linden, dass die Zähne des Horizonts keine Felsblöcke waren. Sie bestanden aus unregelmäßig verwitterten Sandsteingebilden wie Mammutknochen, die ausgefranst und zerbrochen aus dem Felsenskelett des Hügelkamms ragten.
    Hier verringerten Hynyn, Hyn und Khelen endlich ihr Tempo. Obwohl sie ausgepumpt sein mussten, erweckten sie den Eindruck, sie würden nicht langsamer, weil sie müde, sondern weil sie fast am Ziel seien. Sie näherten sich dem Hügelkamm wie dem Rand einer Schlucht. Trotzdem wirkten sie keineswegs ängstlich. Stattdessen bewegten sie sich mit gemessenem Schritt. Ihre Haltung verriet trotz Schweiß und Müdigkeit Stolz oder Ehrfurcht, als näherten sie sich einem Quell von Wundern, einem Ort, der Realitäten verändern konnte.
    »Stave …?«, fragte Linden heiser. »Was …?«
    Er wusste doch bestimmt, wo sie waren. Seine Leute hatten doch bestimmt gesehen, was hinter diesen Sandsteinplatten lag.
    Aber der Haruchai gab keine Antwort. Nichts an seiner Art ließ auf Erkennen oder Verständnis schließen.
    Die stehenden Sandsteintafeln waren höher als Stave auf Hynyns Rücken; größer als jeder Riese. Sie ragten in den bedeckten Himmel auf, als wären sie einst hoch genug gewesen, um ihn zurückzuhalten, als hätten sie vor Äonen eine unüberwindliche Barriere gebildet. Jetzt traten die Ranyhyn ungehindert zwischen ihnen hindurch und machten halt.
    Die Reiter hatten den Rand einer runden Senke erreicht, die einem Krater, einer Caldera glich, obwohl Linden sich nicht vorstellen konnte, durch welche Art von Vulkanismus diese Formation entstanden sein sollte. Der gesamte Kraterrand war mit erodierten Sandsteinplatten wie müden Wachposten besetzt, eine verwitterte Schar von Wachen, die zu ermattet waren, um noch strammzustehen. Die Caldera selbst war so groß, dass wohl keine der Schwertmainnir einen Stein hätte hinüberwerfen können. Trotzdem war der Krater innerhalb des Ringwalls nicht sehr tief. Mit flachen Seiten und ebenem Boden glich er eher einem Becken als einem Kessel.
    Dies war offenbar das Ziel, dem die Ranyhyn einen ganzen Tag lang in einem Galopp zugestrebt waren, den kein gewöhnliches Pferd hätte durchhalten können. Linden, die sprachlos verblüfft war, starrte in den Krater wie eine Frau, die mit ihrer Weisheit am Ende ist.
    Der Boden der Caldera war mit hoch aufgetürmten Knochen bedeckt.
    Sie waren alt … Gott, waren sie alt! Zehntausende, Hunderttausende von Knochen lagen dort unten, als wären sie einfach weggeworfen

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