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Die Pfeiler der Macht

Die Pfeiler der Macht

Titel: Die Pfeiler der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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wollte ihr einfach nicht in den Kopf, wie Teddy so etwas tun konnte. »Und dann?«
    Augusta mußte lächeln - der Junge drehte einfach den Spieß um. Statt sich von mir befragen zu lassen, horcht er mich aus! dachte sie.
    »Erzähl du mir einfach, was passiert ist«, sagte sie. Micky nickte.
    »Wie Sie wünschen.«
    Seine Worte erleichterten und beunruhigten Augusta gleichermaßen. Sie wollte die Wahrheit wissen, fürchtete sich aber auch ein wenig davor. Armer Teddy, dachte sie bei sich, er wäre als Baby fast gestorben, weil mit meiner Milch etwas nicht stimmte. Er siechte dahin, bis der Arzt das Problem endlich erkannte und vorschlug, eine Amme einzustellen. Der arme Teddy ist heute noch genauso anfällig und empfindlich wie damals. Er braucht den Schutz seiner Mutter. Hätte ich meinen Willen durchgesetzt, hätte er niemals dieses Internat besuchen müssen, aber in diesem Punkt blieb sein Vater einfach unnachgiebig. Augusta wandte ihre Aufmerksamkeit wieder Micky zu.
    »Edward hatte nichts Böses im Sinn«, begann er. »Es war reiner Unfug. Ich meine, daß er die Kleider der Jungen ins Wasser geworfen hat, war ein Scherz.«
    Augusta nickte. Soweit klang alles ganz verständlich. Jungs in diesem Alter kabbelten sich ja ständig. Sicher haben sie auch den armen Teddy immer geärgert, dachte sie. »Dann stieß Hugh Edward ins Wasser.«
    »Der kleine Hugh war schon immer ein Unruhestifter«, sagte Augusta. »Er ist keinen Deut besser als sein erbärmlicher Vater.« Dabei dachte sie: Mit ihm wird es wahrscheinlich das gleiche böse Ende nehmen.
    »Die anderen lachten, und da hat Edward Peters Kopf unter Wasser getunkt, um ihm eine Lektion zu erteilen. Hugh ist davongerannt, und Tonio warf mit einem Stein nach Edward.« Augusta war entsetzt. »Er hätte das Bewußtsein verlieren und ertrinken können!«
    »Hat er aber nicht. Statt dessen setzte er Tonio nach. Ich hab' ihnen zugesehen. Auf Peter Middleton hat kein Mensch mehr geachtet. Tonio ist Edward schließlich ausgebüxt, und erst da merkten wir, daß Peter keinen Mucks mehr von sich gab. Wir wissen wirklich nicht, was ihm zugestoßen ist. Vielleicht verlor er die Kraft, als Edward ihn unter Wasser drückte, und bekam nicht mehr genug Luft, um noch ans Ufer zu schwimmen. Jedenfalls trieb er mit dem Gesicht nach unten im Wasser. Wir holten ihn sofort heraus, aber er war schon tot.«
    Dafür konnte Edward eigentlich nichts, dachte Augusta. Unter den Jungen sind solche rohen Spiele doch üblich! Dennoch empfand sie große Dankbarkeit, daß diese Geschichte bei der Untersuchung nicht zur Sprache gekommen war. Micky hatte Edward gedeckt, dem Himmel sei Dank! »Was ist mit den anderen, die dabei waren?« fragte sie. »Sie müssen doch wissen, was los gewesen ist.«
    »Wir hatten Glück, daß Hugh noch am gleichen Tag die Schule verließ.«
    »Und der andere Junge - Tony, nicht wahr?«
    »Antonio Silva, kurz Tonio. Keine Sorge. Der ist ein Landsmann von mir und tut, was ich ihm sage.«
    »Wie kannst du dir da so sicher sein?«
    »Wenn er mir hier Schwierigkeiten macht, wird seine Familie zu Hause dafür büßen müssen. Das weiß er.« Mickys Stimme klang auf einmal eiskalt. Augusta schauderte. »Soll ich Ihnen einen Umhang holen?« fragte Micky aufmerksam.
    Augusta schüttelte den Kopf. »Und sonst hat niemand gesehen, was passiert ist?«
    Micky runzelte die Stirn. »Als wir ankamen, schwamm noch ein vierter Junge im Teich.«
    »Wer war das?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich konnte sein Gesicht nicht erkennen«, sagte er. Ich hatte ja keine Ahnung, daß es später wichtig sein würde.«
    »Hat er gesehen, was passiert ist?«
    »Das weiß ich nicht. Ich kann nicht genau sagen, wann er weggegangen ist.«
    »Er war schon fort, als ihr die Leiche aus dem Wasser holtet?«
    »Ja.«
    »Wenn wir nur wüßten, wer das war«, sagte Augusta sorgenvoll.
    »Vielleicht war er gar nicht von der Schule«, erwog Micky. »Er kann ebensogut aus der Stadt sein. Aber wie auch immer - er hat sich nicht als Zeuge gemeldet, also kann er uns wohl kaum gefährlich werden.«
    Er kann uns wohl kaum gefährlich werden.
    Mit einem Schlag wurde Augusta klar, daß sie sich mit diesem Jungen auf etwas Unehrenhaftes, ja womöglich sogar Gesetzwidriges eingelassen hatte. Was für eine unangenehme Situation! Blind war sie in die Falle getappt, die Miguel Miranda ihr gestellt hatte.
    Mit strengem Blick sagte sie: »Was willst du?« Zum erstenmal hatte sie ihn überrumpelt. Er wirkte verwirrt, als er fragte:

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