Die Pfeiler der Macht
war, Papa konnte es sich in den Kopf gesetzt haben, ihn wieder mit nach Cordoba zu nehmen. Allein der Gedanke, seine Tage wieder im Sattel verbringen und des Nachts auf hartem Boden schlafen zu müssen, war Micky unerträglich - von der Aussicht, wieder unter die Fuchtel seines älteren Bruders Paulo zu geraten, der eine jüngere Ausgabe von Papa war, gar nicht erst zu reden. Sollte Micky eines Tages nach Cordoba zurückkehren, dann aus eigenem Entschluß und als bedeutender Mann, nicht als der jüngere Sohn von Papa Miranda. Er mußte also seinen Vater davon überzeugen, daß er ihm hier in London mehr nutzen konnte als zu Hause. Es war ein sonniger Samstagnachmittag, und sie flanierten über den South Carriage Drive. Der Park war bevölkert mit vielen gutgekleideten Londonern, die zu Fuß, zu Pferd und in offenen Kutschen das schöne Wetter genossen. Nur Papa war nicht in Genießerlaune. »Ich muß diese Gewehre bekommen!« brummte er auf Spanisch gleich zweimal vor sich hin.
Micky antwortete in der gleichen Sprache. »Du könntest sie zu Hause kaufen«, bemerkte er versuchshalber.
»Zweitausend Stück?« schnaubte Papa. »Ja, könnte ich wohl, aber dann pfeifen es die Spatzen von allen Dächern.« Er wollte es also geheimhalten. Micky hatte keine Ahnung, was Papa im Schilde führte. Der Preis für zweitausend Gewehre, zuzüglich der erforderlichen Munition, würde wahrscheinlich das gesamte Barvermögen der Familie verschlingen. Wozu brauchte Papa auf einmal so viele Waffen? Seit dem inzwischen legendären »Marsch der Gauchos«, als Papa seine Männer über die Anden geführt hatte, um die Provinz Santamaria von der spanischen Herrschaft zu befreien, hatte es in Cordoba keinen Krieg mehr gegeben. Und für wen waren die Waffen bestimmt? Alles in allem zählten Papas Gauchos, Verwandte, Pöstchenhalter und sonstige Anhänger keine tausend Köpfe. Papa hatte also vor, noch mehr Männer zu rekrutieren. Aber gegen wen wollten sie kämpfen? Darüber hatte er sich nicht geäußert, und Micky wollte ihn auch nicht danach fragen. Er fürchtete sich vor der Antwort. Statt dessen sagte er jetzt: »Wie dem auch sei, Waffen von solcher Qualität bekommst du zu Hause ohnehin nicht.«
»Das stimmt«, sagte Papa. »Die Westley-Richards ist die beste Flinte, die ich je gesehen habe.«
Micky hatte Papa bei der Auswahl der Gewehre helfen können. Waffen aller Art hatten ihn schon immer fasziniert, und er hielt sich stets auf dem laufenden, was die neuesten technischen Entwicklungen betraf. Was Papa brauchte, waren kurzläufige Gewehre, die auch für einen Reiter nicht zu unhandlich waren. Gemeinsam hatten sie die Fabrik in Birmingham besucht, in der die Westley-Richards-Karabiner hergestellt wurden, Hinterlader mit einem geschwungenen Abzugshebel, der ihnen den Spitznamen »Affenschwanz« eingetragen hatte.
»Außerdem arbeitet die Firma sehr schnell«, sagte Micky. »Ich hatte mit einem halben Jahr Lieferfrist gerechnet. Aber sie brauchen nur ein paar Tage!«
»Das liegt an den amerikanischen Maschinen, die sie benutzen.« In früheren Zeiten, als die Feuerwaffen noch von Waffenschmieden mehr oder minder passend zusammengesetzt wurden, hätte es in der Tat ein halbes Jahr gedauert, zweitausend Gewehre zu bauen. Doch die modernen Werkzeugmaschinen arbeiteten so präzise, daß jedes Einzelteil eines bestimmten Modells genau zu allen anderen Einzelteilen paßte. Eine gut ausgerüstete Fabrik konnte täglich Hunderte vollkommen identischer Gewehre herstellen, als handle es sich um Nähnadeln.
»Und die Maschine erst, die Zweihunderttausend Patronen pro Tag herstellt!« sagte Papa und schüttelte verwundert den Kopf. Doch dann schlug seine Laune wieder um, und er brummte grimmig:
»Aber wie können die Geld verlangen, bevor sie liefern?« Papa begriff nicht, wie der internationale Handel funktionierte. Er hatte sich eingebildet, der Fabrikant würde die Waffen nach Cordoba liefern und dort die Bezahlung entgegennehmen. In Wirklichkeit lief es genau andersherum: Die Zahlung war fällig, bevor die Waffen die Fabrik in Birmingham verließen. Papa weigerte sich, Fässer voller Silbermünzen per Schiff über den Atlantik zu schicken. Mehr noch, er sah sich einfach nicht imstande, das gesamte Familienvermögen aus der Hand zu geben, bevor die Waffenlieferung sicher in Cordoba angekommen war. »Es wird sich schon eine Lösung finden«, sagte Micky beschwichtigend. »Dafür sind Handelsbanken schließlich da.«
»Erklär mir das noch
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