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Die Pfeiler des Glaubens

Die Pfeiler des Glaubens

Titel: Die Pfeiler des Glaubens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildefonso Falcones
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Feuer zu löschen, ritt Ibrahim in gestrecktem Galopp gen Norden. Jusufs Pferd folgte ihm ganz von selbst. Bald verschwanden Pferde und Reiter in der Dunkelheit der Nacht.
    Nach einigen Tagesritten erreichte Ibrahim Ende Oktober 1574 die Stadt Tetuan. Unterwegs hatte er die großen Handelsrouten vermieden und sich von seinem Instinkt und seiner Erfahrung als Maultiertreiber leiten lassen. Er war immer Richtung Norden geritten und hatte sich bei der geringsten Gefahr sofort versteckt. Doch seine Befürchtungen waren unnötig gewesen, Umar hatte ihn nicht verfolgt – obwohl nicht nur die beiden Pferde wertvoll waren, sondern auch der Inhalt der Schatulle ein kleines Vermögen darstellte: Edelsteine sowie Goldstücke in den unterschiedlichsten Währungen.
    Die Stadt Tetuan lag am Fuß des Djebel Dera im Tal des Martil. Zum Mittelmeer waren es knapp sechs und zur Meerenge von Gibraltar nur etwa achtzehn Meilen. Die Medina innerhalb der Stadtmauern war von den spanischen Muslimen, die nach der Kapitulation aus Granada geflüchtet waren, neu aufgebaut und besiedelt worden.
    Ibrahim verbarg die Pferde und das Geld in den Bergen und betrat die Stadt durch das Bab Mqabar in der Nähe des Friedhofs. Er sah aus wie ein verwirrter Bettler und führte nur einige wenige Geldstücke mit sich. Plötzlich hatte er das Gefühl, wieder in al-Andalus zu sein. Die Atmosphäre, die Art, wie die Leute sprachen und sich kleideten, die Ähnlichkeit der Stadt mit dem Albaicín von Granada oder den Orten in den Alpujarras – all das gab Ibrahim die Gewissheit: Hier wollte er leben. Er hielt einen Straßenjungen mit schmutzigen Kleidern und munteren, großen Augen an und fragte ihn, ob er ihn durch die Stadt führen könne. Zur Überraschung der Händler im Suk und des Burschen erstand Ibrahim teure Gewänder und gab plötzlich eine stattliche Erscheinung ab. Auch für Nasi, so hieß der kleine Gauner, kaufte er neue Kleidung. Danach kehrte er mit dem verwunderten Jungen zu dem Versteck in den Bergen zurück, wusch sich in einem Bach und zwang Nasi, es ihm gleichzutun. Seinem Pferd legte Ibrahim eine Matte als Sattel auf, Jusufs Pferd belud er mit den neu erworbenen Gewändern. Nasi, mittlerweile mit einem Turban ausgestattet, führte dieses Pferd an einem Strick, und man hätte beinahe annehmen können, er sei schon immer Ibrahims Diener gewesen. Der Bursche ließ sich sofort auf den Handel ein, als er hörte, dass er von nun an täglich zu essen bekommen sollte.
    »Aber wenn du nur ein Sterbenswörtchen über mich erzählst, schneide ich dir die Kehle durch«, drohte Ibrahim und zeigte auf den Krummsäbel.
    Nasi schien die Waffe nicht sonderlich zu beeindrucken, aber seine Antwort klang überzeugend:
    »Ich schwöre es, bei Allah.«
    Sie mieteten ein ansehnliches, einstöckiges Haus mit Garten.
    Am Ende des 16. Jahrhunderts, also zu der Zeit, als Ibrahim sich in der Stadt niederließ, brachen viele Piraten von Tetuan aus zu ihren Kaperfahrten an der spanischen Küste auf. Dabei lag dieses noch junge Piratennest mit den alten Korsarenhochburgen der Barbaresken im direkten Wettstreit: mit Algier, Tunis, Cherchell, Vélez, El Araish und Salé. Aber die gewaltigen Rundschiffe aus Frankreich, England und den Niederlanden, die das Mittelmeer befuhren, hatte die Reeder von Algier veranlasst, ihre schlanken, leichten Galeoten und Galeeren durch große Rundsegler zu ersetzen, die mit schweren Kanonen bewaffnet waren. So konnten sie die neuen Schiffe des Gegners nicht nur erreichen, sondern auch besiegen. Die algerischen Korsaren konnten nun sogar die großen Häfen jenseits der Meerenge ansteuern: in Portugal, Frankreich, England und sogar Island. Die kleineren Kaperfahrten nach Spanien mit den Blitzangriffen auf die Küstenorte wurden für diese bedeutenden Korsarenstädte bald zu einer vernachlässigbaren Nebenbeschäftigung.
    In dieser Situation ließ sich Ibrahim in Tetuan nieder und war bald Besitzer von drei kleinen Fusten mit jeweils zwölf Ruderbänken. Den Kapitänen seiner Schiffe stellte er nur eine Bedingung: Er würde die Beutezüge persönlich befehligen. Auch wenn er kaum etwas von der Seefahrt verstand, so kannte er die Küsten von Granada, Málaga und Almería besser als jeder Pirat.
    Zu Beginn der Schifffahrtszeit im März 1575 landete der ehemalige Maultiertreiber aus den Alpujarras als Anführer einer stattlichen Einheit in der Nähe von Mojácar an der spanischen Küste. Keiner der Wächter in den neun Verteidigungstürmen an

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