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Die Pfeiler des Glaubens

Die Pfeiler des Glaubens

Titel: Die Pfeiler des Glaubens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildefonso Falcones
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hatten, waren die Piraten schon wieder auf den Galeoten und stachen mit den Gefangenen und den flüchtenden Morisken an Bord in See.
    Und sobald sie außerhalb der Reichweite der Kanonen waren, hissten die drei Galeoten die Parlamentärsflagge. Die Valencianer wussten, was diese weiße Fahne bedeutete: Damit signalisierten die Korsarenkapitäne ihre Bereitschaft für Verhandlungen über den Freikauf der Gefangenen. An diesem Morgen wurden fünfzehn Gefangene freigekauft, die übrigen vier würden später auf den Sklavenmärkten von Algier landen.
    Die Überfahrt auf die andere Seite der Meerenge dauerte zwei Tage. Die See lag ruhig vor ihnen, und die Ruderer der Galeoten mussten sich anstrengen, um trotz der Windstille vorwärtszukommen. Doch kein Mitglied der Besatzung – ausschließlich Türken und christliche Renegaten – wollte etwas mit den Morisken zu tun haben, und sie teilten sie nicht einmal zur Arbeit an den Ruderbänken ein.
    Ibrahim hatte also ausreichend Gelegenheit, sich an Bord umzusehen. Der Kapitän stand am Bug. Wie so viele christliche Renegaten hatte er langes blondes Haar, das ihm bis über die Schultern fiel. Ibrahim spuckte ins Wasser. Die Piraten nahmen die spanischen Morisken – dieses für sie so verabscheuungswürdige menschliche Frachtgut – nur auf, damit die moriskischen Küstenbewohner ihnen weiterhin bei ihren Beutefahrten halfen.
    Die kleine Flotte lief schließlich im Hafen von Algier ein. Beim Anblick der mächtigen Stadtmauer entschied Ibrahim, diese Piratenhochburg so schnell wie möglich wieder zu verlassen. Er streifte einige Tage ziellos durch die Gassen und hielt sich dabei immer von den anderen Morisken aus al-Andalus fern. Er wollte nicht wie sie in einem der unzähligen Obstgärten oder auf einem der Weizenfelder vor der Stadt für einen Hungerlohn arbeiten. Als er im Suk schließlich eine Karawane ausmachen konnte, die gerade nach Fez aufbrach, wollte er sich ihr anschließen. Er war am Verhungern!
    »Ich bin Maultiertreiber und …«, setzte er gerade an, als der Araber im Beduinengewand den Kopf schüttelte und abschätzig auf seinen Armstumpf deutete.
    Ibrahim wollte ihm sein Können beweisen und ging zu einem der im Schatten ruhenden Kamele. Es war das erste Mal, dass er Kamele sah, und ihre Höcker waren sogar jetzt noch höher als der Rücken jedes Maultiers, das er je durch die Alpujarras geführt hatte.
    Er fuhr mit der Hand über den Kopf des Tieres, das von der Berührung allerdings vollkommen unbeeindruckt blieb. Der Karawanenführer beobachtete neugierig, was Ibrahim vorhatte. Das Tier sollte aufstehen. Ibrahim zog mit der linken Hand am Strick, doch das Kamel bewegte den Kopf kein Stück. Dann riss er nach der einen und nach der anderen Seite. Seine Maultiere hatte er so immer überlisten können, wenn sie nicht vorwärtsgehen wollten – aber das störrische Tier hier regte sich nicht. Ibrahim merkte, dass sich einige Menschen um den Araber versammelt hatten, die das Schauspiel belustigt beobachteten. Er wusste, welche Schmach ihn erwartete, wenn er das Tier nicht dazu brachte, aufzustehen. Er zog kräftig am Strick. Als er noch einmal ziehen wollte, schnellte das Kamel plötzlich vor und biss ihn in den Bauch. Er erschrak, strauchelte und fiel zu Boden. Die Zuschauer lachten und applaudierten begeistert. Natürlich! Alle hatten gewusst, dass ihn das Tier beißen würde. Ibrahim hatte den Männern den Rücken zugekehrt. Er wollte gerade aufstehen und weggehen, da ebbte das Gelächter schlagartig ab, und nur ein helles, kindliches Kichern war noch zu hören. Sollte er nachsehen, woher dieses unbedarfte wie merkwürdige Gekicher kam? Schließlich überwand er seine Hemmung, in die höhnischen Gesichter der anderen Männer zu sehen, und erblickte einen etwa achtjährigen Jungen, der in seinen edlen grünen Seidengewändern wie ein kleiner Fürst aussah. Der Mann neben dem Jungen war mindestens genauso prächtig gekleidet. Er trug erstaunlich massiven Schmuck und einen großen Krummsäbel, an dessen Scheide unzählige Edelsteine in der Sonne funkelten. Hinter ihm standen drei Frauen in schwarzen Tuniken und schwarzen Umhängen. Um ihre Handgelenke und Fesseln klirrten zahlreiche Silberreifen. Sie waren verschleiert, und nur die dunklen Augen waren durch kleine Sehschlitze zu erkennen. Ibrahim starrte den Jungen an. Er war doch am Verhungern!
    Der Mann mit dem kostbaren Krummsäbel legte dem Kind die Hand auf die Schulter. Der Junge hatte inzwischen aufgehört

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