Die Pfeiler des Glaubens
Prachtexemplar der spanischen Rasse.
»Es ist erstaunlich. Er zeigt beim Reiten den gleichen untrüglichen Instinkt, das gleiche perfekte Gespür im Umgang mit dem Tier wie sonst mit den Einjährigen«, stellte Diego gegenüber José und Rodrigo überrascht fest. »Zeigt ihm, was ihr könnt. Bringt ihm alles bei.«
Und das taten die beiden Bereiter.
Don Julián wiederum lehrte Hernando in der Bibliothek die heilige Sprache, bis er sie in Wort und Schrift beherrschte. Abends ging Hernando nach getaner Arbeit regelmäßig in die Mezquita, wenn das Kommen und Gehen der Geistlichen und der Gläubigen abnahm. Meistens kam er erst nach der Abendmesse in das Gotteshaus, manchmal sogar noch später, wenn die Tore bereits geschlossen waren. Don Julián war der letzte Moriske, der es nach der Vertreibung oder Zwangsbekehrung geschafft hatte, unter dem Deckmantel eines christlichen Geistlichen heimlich in die großartige Moschee von Córdoba zu gelangen.
»Seit König Ferdinand Córdoba erobert hat und die Moschee den Christen in die Hände fiel«, erklärte Don Julián mit sanfter Stimme, als die beiden allein in der Bibliothek über einigen Schriftstücken saßen, »hat es immer einen Muslim im Priestergewand gegeben. Unsere Aufgabe besteht nicht nur darin, an diesem heiligen Ort zu beten, es geht vor allem darum, zu erfahren, wie die Kirche denkt und was sie beabsichtigt, und darum, unsere Glaubensbrüder darüber in Kenntnis zu setzen. Das kann nur gelingen, wenn sich jemand von uns in den Kreisen des Klerus bewegt oder mit dem Domkapitel zu tun hat.«
»Aber ich will kein Priester werden!«, protestierte Hernando.
»Das musst du auch nicht. Leider ist es mittlerweile ohnehin fast unmöglich, Muslime in den christlichen Klerus einzuschleusen. Die Gutachten über die Reinheit der Blutlinie sind nur schwer zu fälschen, und die Verfahren, die man für ein Amt im Domkapitel durchlaufen muss, sind mit der Zeit sehr kompliziert geworden.«
Hernando hatte von diesen Gutachten bereits gehört. Darin bestätigten die Behörden die von einer Person angeführten Daten, dass es unter ihren Vorfahren keinen Muslim oder Juden gab. Ein makelloser Stammbaum wurde in Spanien zu einer unumgänglichen Voraussetzung nicht nur für jedes kirchliche, sondern auch für jedes weltliche Amt.
»Mittlerweile wird jeder Stammbaum genauestens erforscht«, der Gelehrte schüttelte verbittert den Kopf, »die Eltern, die Großeltern und die anderen Verwandten, ihre Wohnorte, ihre Ämter, ihr Lebenswandel … Ich bezweifle, dass wir nach meinem Ableben diese List weiter verfolgen können – vorausgesetzt, man enttarnt mich nicht schon vorher. Deshalb ist es für uns umso wichtiger, die Prozesse und Schutzmechanismen zu verbessern, die nicht von unserem Eingebundensein in die Kirche abhängen.«
Seit Hernando mit Don Julián zusammenarbeitete, hatte er immer wieder Gelegenheit gehabt, die Vorgehensweisen und Mittelsmänner der Morisken kennenzulernen. Der Rat der Gemeinschaft – bestehend aus Jalil, Karim und Hamid sowie Don Julián, Abbas und inzwischen auch Hernando – steuerte sie und baute sie aus, wo es nur ging. Doch es wurde immer riskanter, alle sechs Mitglieder an einen Tisch zu versammeln, und Hernando übernahm in den Fällen, die eine gemeinsame Entscheidung aller Beteiligten erforderten, immer öfter die Rolle des Boten. Der Amtsschreiber des Marstalls hatte ihm eine Sondererlaubnis ausgestellt, die ihm eine große Bewegungsfreiheit zugestand: Er sollte ja zu jeder Tages- und Nachtzeit in die Kathedrale gehen können.
Im Jahr 1573, kurz nachdem Hernando begonnen hatte, mit dem christlichen Bibliothekar zusammenzuarbeiten, erhielten die Mitglieder der muslimischen Gemeinde in Córdoba von den Monfíes und Maultiertreibern Nachrichten über einen geplanten Aufstand im Königreich Aragonien. Die dort ansässigen Morisken hatten Kontakt zu französischen Hugenotten aufgenommen und ihnen sowohl militärische als auch finanzielle Unterstützung zugesichert, wenn sie in Aragonien einmarschierten. Als die Männer in Córdoba davon erfuhren, wollten viele von ihnen sofort nach Aragonien ziehen und sich dort am Aufstand gegen die Christen beteiligen. Der Rat der Gemeinschaft bat die Glaubensbrüder in und um Córdoba jedoch, noch abzuwarten. Zwei Jahre später wurde der Franzose, der anfangs zwischen Hugenotten und Morisken vermittelt hatte, von der Inquisition festgenommen und legte unter Folter ein umfangreiches Geständnis ab, woraufhin
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