Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Pfeiler des Glaubens

Die Pfeiler des Glaubens

Titel: Die Pfeiler des Glaubens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildefonso Falcones
Vom Netzwerk:
bestaunte die kostbaren Behänge der Sänften, und abends, wenn er den kleinen Jusuf genügend unterhalten hatte, blickte er neidisch zu den großen Zelten hinüber, die der Händler mit seiner Familie bewohnte. Sie waren mit weichen Stoffen und bequemen Kissen ausgelegt und mit allem nur erdenklichen Hausrat aus Kupfer oder Eisen ausgestattet. Selbst in den prächtigsten Herrenhäusern von al-Andalus hatte Ibrahim niemals einen derartigen Prunk gesehen. Wenn sich Umar, Jusuf und die Frauen nachts zurückzogen, schlief Ibrahim neben den Zelten auf der Erde.
    Nur wenige Tagesreisen von Tlemcen entfernt fasste er schließlich einen Entschluss. Er hatte gehört, wie die Leute darüber sprachen, dass es auf der Strecke zwischen Tlemcen und Fez – in der Wüste von Angad – nicht selten vorkam, dass arabische Trupps die Karawanen überfielen. Ibrahim hatte die Erniedrigungen, die Schläge und die derben Späße seiner Mitreisenden endgültig satt! Er war es außerdem leid, zu Fuß durch die Wüste zu gehen, und er hasste die Kamele, die sich zum eintönigen Singsang ihrer Treiber bewegten!
    Alle sahen in ihm nur einen harmlosen Irren – und hielten es daher nicht für nötig, ihn zu überwachen. Es war für Ibrahim somit ein Leichtes, in der Nacht, in der sie nur wenige Meilen vor Tlemcen ihr Lager aufgeschlagen hatten, in Umars Zelt zu schleichen. Er kroch unter einer Zeltplane hindurch und fand Vater und Sohn im Schlaf. Er lauschte dem regelmäßigen Atem der beiden und wartete, bis sich seine Augen an das matte Licht gewöhnten, das ein Lagerfeuer außerhalb des Zeltes spendete, an dem drei Wachen dösten. Er ließ seinen Blick über die teuren Seidenstoffe und Wandbehänge gleiten, über die kostbaren Gewänder des Händlers und seines Sohnes … Neben Umar lag eine Schatulle mit Einlegearbeiten aus Edelsteinen. Ibrahim hielt sich dicht am Boden, damit man von außen keinen Schatten erkennen konnte. Bei Umar angekommen, nahm er das Kästchen an sich, musste es aber sofort wieder abstellen, damit er zuerst den kostbaren Krummsäbel des Händlers an sich nehmen konnte. Er schnallte sich die Waffe vorsichtig um, griff nach der Schatulle und schlich aus dem Zelt. Da wurde ihm plötzlich klar, dass es nur noch zwei Möglichkeiten für ihn gab: die Flucht oder den sicheren Tod. Wenn sie ihn entdeckten … Er verbarg das Schatzkästchen in seinem Turban, band diesen am Gürtel fest und schlich zwischen den Kamelen und den Schlafenden vorbei. Er bewegte sich sehr langsam, da er jedes Geräusch unbedingt vermeiden musste – vor allem das metallische Klimpern in der Schatulle, das selbst durch den dichten Turbanstoff zu hören war. Schließlich gelangte er zum Zelt mit den Waren, die die Kamele tagsüber transportierten. Auch hier hatte der Schlaf die Wachposten übermannt. Eines der Lagerfeuer war noch nicht erloschen. Ibrahim schlich hin, zog einen Schuh aus und legte ein Stück glühendes Holz hinein. Dann warf er beides zwischen einige Ballen der kostbaren Seidenstoffe. Er wartete das Ergebnis gar nicht erst ab, sondern begab sich direkt zu den beiden Pferden.
    Er streichelte die Tiere, damit sie sich beruhigten. Einige Männer der Karawane schliefen ganz in der Nähe. Als Ibrahim das Gefühl hatte, die Pferde würden ihn gewähren lassen, band er beide vorsichtig los und zäumte Umars Pferd auf. Dann ging er in die Hocke und wartete ab. Schon bald würde jemand Alarm schlagen. Ibrahim stellte sich Umars Krummsäbel an seinem Hals vor, die sichere Strafe für den soeben begangenen Diebstahl. Da ertönte der erste Schrei, dann der zweite und der dritte. Trotz der Dunkelheit konnte man erkennen, dass eine dichte Rauchwolke aus dem Zelt mit den Waren aufstieg, und plötzlich schnellte eine gewaltige fauchende Stichflamme in die Höhe. Die Männer sprangen entsetzt auf, und das ganze Lager versank innerhalb von wenigen Sekunden in Chaos. Ibrahim musste sich vom Anblick der in die Nacht ragenden tiefroten Feuerzungen losreißen.
    »He! Du! Was machst du da bei den Pferden?«, rief ihm ein Pferdeknecht zu, der zu den Tieren eilte.
    Ibrahim erwachte aus seiner Starre und versuchte den jungen Mann mit einer seiner komischen Grimassen zu überraschen. Der Mann blieb erstaunt stehen, da zückte Ibrahim den Krummsäbel und stieß ihn tief in die Brust des Pferdeknechts. Nie wieder würde er für irgendjemanden den Narren geben, schwor sich Ibrahim und saß mit einem Satz auf.
    Und während die Leute damit beschäftigt waren, das

Weitere Kostenlose Bücher