Die Pfeiler des Glaubens
Bittgebet. Dann machte er mit dem Glaubensbekenntnis weiter und stimmte schließlich den Friedensgruß an. Seine Stiefgeschwister versuchten es ihm gleichzutun, aber sie kannten die Gebete nur ansatzweise. Anschließend versorgte Hernando noch einmal die Wunden des Maultieres und begab sich nach dem Frühstück zu Hamid. Es gab so viel zu berichten! Es gab so viele offene Fragen! Die Christen von Juviles waren immer noch bei Wasser und Brot in der Kirche eingesperrt. Hamid ließ nicht von seinem Vorhaben ab, sie zu bekehren. Doch als Hernando in die Nähe der Kirche kam, waren dort Frauen, Kinder und alte Männer in Aufruhr. Er ging zu der Gruppe, die sich um die Überreste der zerstörten Kirchenglocke versammelt hatte.
»Hamid kennt unsere Gesetze sehr gut«, sagte einer der Alten.
»Seit Jahren schon«, flüsterte ein anderer, »hat man keinen Muslim mehr nach unseren Gesetzen verurteilt. In Ugíjar …«
»In Ugíjar haben wir niemals Gerechtigkeit erfahren!«, unterbrach ihn der Alte.
Allgemeine Zustimmung erfasste die Menge. Die Frauen mit ihren Kindern und die alten Männer, die sich nicht am Aufstand beteiligt hatten, gingen nun zur Burg hoch. Auch Aischa war unter ihnen.
»Was ist los, Mutter?«, fragte Hernando, als er zu ihr aufgeschlossen hatte.
»Dein Vater hat Hamid in die Burg gerufen«, antwortete Aischa und ging weiter. »Sie werden den Maultiertreiber aus Narila verurteilen. Er hat ein Schmuckstück gestohlen.«
»Was werden sie mit ihm machen?«
»Die einen sagen, dass man ihn auspeitschen wird. Andere denken, dass man ihm die rechte Hand abhacken wird, und wieder andere glauben sogar, dass sie ihn umbringen werden. Ich weiß es nicht, Hernando. Wie auch immer seine Strafe ausfallen wird«, hörte er seine Mutter sagen, »er hat sie verdient. Dein Stiefvater hat mir immer wieder von ihm erzählt: Er hat oft Lasten gestohlen, die man ihm anvertraut hat. Er hatte reichlich Ärger und Verfahren am Hals, aber der Richter von Ugíjar hat ihn immer verteidigt. So eine Schande! Eine Sache ist es, den Christen etwas wegzunehmen, aber das eigene Volk zu bestehlen! Man sagt, er sei ein Freund von …!«
Während seine Mutter weiterredete, versuchte Hernando, sich an den Streit zwischen seinem Stiefvater und Partal zu erinnern, und an die Blicke, die die beiden Maultiertreiber ausgetauscht hatten, nachdem Ibrahim sich geweigert hatte, ihn zu begrüßen. Ibrahim war zu vielem fähig, aber er hätte nie einen Glaubensbruder bestohlen! Aischa setzte mit den anderen Frauen ihren Weg fort. Sie hatten kein anderes Thema als den Diebstahl und unterstrichen ihre Meinungen mit lebhaften Gesten und Kopfschütteln.
Hernando blieb stehen. Er wollte bei der Verhandlung nicht dabei sein. Bestimmt … Bestimmt würde der Maultiertreiber aus Narila ihm die Schuld geben.
»Ich muss mich um die Tiere kümmern«, sagte er, als ihn gerade einige Kinder überholten.
Ein Schauder erfasste den Jungen. Ubaid umbringen! Warum eigentlich nicht? Hatte er nicht versucht, ihn zu töten? Wenn ihn die Alte nicht gewittert hätte … Und was war mit Gonzalico? Ubaid hatte das Kind grausam massakriert … Allerdings verhielt er sich nur genauso brutal wie die meisten anderen Morisken. Hernando versuchte nicht weiter darüber nachzudenken. Hamid würde die Entscheidung treffen, genau: Hamid würde das richtige Urteil fällen.
Die Verhandlung wurde nach dem Mittagsgebet eröffnet und zog sich über den gesamten Nachmittag hin. Ubaid leugnete nicht nur, das Kreuz gestohlen zu haben, er zog sogar Hamids Berechtigung in Zweifel, ihn verurteilen zu dürfen.
»Sicher«, gab Hamid ihm recht, der das goldene Kreuz in Händen hielt, das Ibrahim in den Gurten von Ubaids Maultier gefunden hatte. »Ich bin kein Richter, selbst nach so vielen Jahren bin ich eigentlich nicht einmal ein richtiger Alfaquí. Soll ich lieber nicht über dich urteilen?«
Der Maultiertreiber bemerkte, wie einige Männer den alten Mann umringten, sie waren mit Dolchen und Schwertern bewaffnet und machten Anstalten, sich auf ihn zu stürzen. In diesem Augenblick erkannte Ubaid sofort Hamids Autorität an. Er fand keinen einzigen Zeugen, der sich für ihn verwendete: Nicht ein Moriske erwies sich bei Hamids Fragen im Verhör als ein Fürsprecher von Ubaid.
»Kannst du bezeugen, dass Ubaid, der Maultiertreiber aus Narila, ein Mann ist, der das Recht befolgt, und dass nichts gegen ihn vorliegt, dass er sich zu seinem Glauben bekennt und regelmäßig seine Waschungen
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