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Die Pfeiler des Glaubens

Die Pfeiler des Glaubens

Titel: Die Pfeiler des Glaubens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildefonso Falcones
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vornimmt und dass er Mohammeds Gesetze befolgt? Kannst du bezeugen, dass er gut im Nehmen und im Geben ist?«
    Alle berichteten von den zahlreichen Problemen, die der Maultiertreiber mit seinen Glaubensbrüdern hatte. Dann meldeten sich zwei Frauen zu Wort, die gar nicht in den Zeugenstand gerufen worden waren. Sie sagten, sie hätten ihn in der vergangenen Nacht beim Ehebruch gesehen.
    Hamid stellte sich taub, als Ubaid verzweifelt Hernando des Diebstahls bezichtigte. Sein Urteil lautete, dass dem Dieb die rechte Hand abzuschlagen sei. Da für die Anklage wegen Ehebruchs nicht vier Zeugen ausgesagt hatten, wie es das Gesetz vorsah, ordnete er zudem an, dass die beiden Frauen die nach islamischem Recht vorgesehene Strafe von achtzig Stockhieben erhalten sollten.
    Bevor er sich mit dem Maultiertreiber befasste, machte sich Ibrahim daran, die Bestrafung der beiden Frauen auszuführen. Er hatte sich einen dünnen Stock besorgt und warf Hamid einen fragenden Blick zu, als man ihm die verurteilten Frauen vorführte.
    Der Alfaquí fragte, ob sie schwanger seien. Nachdem beide dies verneint hatten, wandte er sich an Ibrahim.
    »Schlag sie nur leicht, beherrsche deine Kraft«, befahl er. »So verlangt es das Gesetz.«
    Die beiden Frauen atmeten erleichtert auf.
    »Zieh ihnen die Marlotas und ihre Fellmäntel aus, aber sie sollen nicht völlig nackt sein. Du brauchst ihnen auch nicht die Füße oder die Hände zu fesseln … Es sei denn, sie versuchen zu fliehen.«
    Ibrahim bemühte sich, Hamids Anweisungen auszuführen. Aber auch die achtzig leichten Hiebe hinterließen bei den Frauen blutige Striemen, und bald tropfte das Blut von ihren Rücken in den weißen Schnee.
    Noch vor der Abenddämmerung schlug Ibrahim vor Hunderten Morisken dem Maultiertreiber aus Narila mit einem einzigen Hieb mit dem Krummsäbel die Hand ab. Ubaid würdigte ihn keines Blickes: Er kniete, und jemand hielt seinen ausgestreckten Unterarm auf dem Baumstumpf fest, der als Richtklotz diente. Er schrie nicht, als seine Hand vom Handgelenk abgetrennt wurde, und auch nicht, als man ihm die Aderpresse auf die Blutung setzte. Aber als sie seinen Armstumpf in einen Kessel mit Essig und aufgelöstem Salz tauchten, brüllte er vor Schmerz.
    All dies erfuhr Hernando beim Abendessen von seiner Mutter, die ihm alles bis ins kleinste Detail berichtete.
    »Zum Schluss hat er noch behauptet, du hättest das goldene Kreuz gestohlen. Das sagte er immer wieder. Er schrie die ganze Zeit und beschimpfte dich als Nazarener. Warum hat dich dieser Halunke beschuldigt?«, fragte Aischa.
    Hernando kaute mit vollem Mund und starrte auf den Teller. Dann zuckte er mit den Schultern.
    »Er ist einfach ein Lügner!«, gab er zur Antwort, ohne seiner Mutter in die Augen zu sehen. Dann steckte er sich den nächsten großen Bissen in den Mund.
    In der Nacht fand er keinen Schlaf, wagte aber auch nicht, zu Hamid zu gehen. Was hielt der Alfaquí wohl von den Anschuldigungen des Maultiertreibers? Immerhin hat er ihn verurteilt, ihm die Hand abgeschlagen! Der Maultiertreiber würde die Angelegenheit sicherlich nicht auf sich beruhen lassen. Ubaid wusste genau, dass er es gewesen war. Bestimmt. Aber jetzt … Jetzt fehlte ihm die rechte Hand, die Hand, die das Messer gehalten hatte. Trotzdem sollte er lieber auf der Hut sein. Hernando wälzte sich im Stroh hin und her. Was war mit Ibrahim? Sein Stiefvater hatte sich gewundert, als er ihn aufgefordert hatte, die Maultiere zu überprüfen. Und was war mit den anderen Dorfbewohnern? Und dieser verdammte Spitzname! Bis jetzt war er nur für die Leute in Juviles der »Nazarener« gewesen, nun würde er es für die Bewohner der gesamten Alpujarras sein.
    Auch am nächsten Morgen konnte er sich nicht dazu entschließen, H amid zu besuchen, doch gegen Mittag ließ ihn der Alfaquí zu sich rufen. Hernando traf ihn neben der Kirche bei den Resten der zerstörten Glocke. Der Gelehrte saß in der Wintersonne auf einem Stein, der Krummsäbel des Propheten lag zu seinen Füßen. Vor ihm saß eine Schar Kinder auf dem Boden, sie stammten aus Juviles oder waren von der Burg heruntergelaufen. Einige der Frauen und der alten Männer beobachteten sie. Hamid bedeutete ihm, näher zu kommen.
    »Salam aleikum, Hernando«, sagte er zum Gruß.
    »Ibn Hamid«, verbesserte ihn der Junge. »Ich habe diesen Namen angenommen … wenn du nichts dagegen hast«, stotterte er.
    »Salam aleikum, Ibn Hamid.«
    Der Alfaquí fixierte Hernandos blaue Augen, in denen er

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