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Die Pfeiler des Glaubens

Die Pfeiler des Glaubens

Titel: Die Pfeiler des Glaubens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildefonso Falcones
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müde Augen. Er beobachtete, wie ein Moriske den Sakristan mit einem Arkebusenkolben zusammenschlug, und zuckte mit jedem Schlag zusammen, als hätte er ihn selbst abbekommen. Andrés ist doch kein schlechter Mensch, dachte er bei sich. Der Sakristan hatte sich immer um ihn gekümmert … Die Dorfbewohner folgten den Christen auf ihrem Weg, sie schrien und tanzten um sie herum. Hernando und die Kinder blieben am Boden sitzen, bis ein markerschütternder Schrei alle aufspringen ließ. Hernando sah, wie plötzlich alle in Richtung Felder liefen.
    »Komm!«, forderte ihn jemand auf.
    Hernando drehte sich um und sah Hamid vor sich stehen.
    »Ich will nicht zusehen, wenn sie sterben«, gab er zu. »Warum müssen sie sterben? Wir haben hier doch so lange in Frieden zusammengelebt.«
    »Mir gefällt das auch nicht. Aber wir müssen mitgehen. Sie haben uns damals gezwungen, Christen zu werden. Und jetzt wollten sie den einzigen Gott nicht anerkennen. Sie haben sich für den Tod entschieden. Komm«, forderte Hamid ihn noch einmal auf. Hernando zögerte. »Pass lieber auf, Ibn Hamid. Du könntest der Nächste sein.«
    Die Morisken stachen wild auf den Pfründenbesitzer und den Pfarrer ein. Hernando erschrak, als er seine Mutter entdeckte, die langsam auf den sterbenden Don Martín zuging. Was hatte sie vor? Er bemerkte, wie Hamids Hände seine Schulter umfassten. Die Moriskinnen zogen ihre aufgebrachten Männer von dem Geistlichen fort. Ein Mann reichte Aischa in fast andächtiger Stille einen Faustdolch. Hernando konnte sehen, wie sie sich neben dem bereits stark blutenden Pfarrer kniete, die Waffe über ihren Kopf hob und dem Geistlichen dann mit aller Kraft ins Herz stieß. Die Moriskinnen ließen wie von Sinnen ihre begeisterten Freudenrufe hören. Hamid drückte mitfühlend Hernandos Schulter, während seine Mutter ihre Wut an der Leiche des Pfarrers ausließ. Wenig später war der Körper des Geistlichen nur noch eine undefinierbare blutige Masse. Doch seine Mutter kniete immer noch vor ihm und stach wie im Rausch wieder und wieder mit dem Messer zu, so als wollte sie sich Stoß um Stoß für das Schicksal rächen, zu dem ein anderer Geistlicher sie einst verurteilt hatte. Dann kamen die übrigen Frauen näher, fassten sie unter den Schultern und zogen sie von der Leiche weg. Hernando konnte ihr verzerrtes Gesicht sehen, es war blutverschmiert und tränenüberströmt. Aischa riss sich von den Frauen los, ließ die Waffe fallen, reckte die Arme zum Himmel und rief aus voller Kraft: »Allahu akbar!«
    Doch bevor noch weitere Christen umgebracht werden konnten – unter ihnen war auch der Sakristan –, erschien El Zaguer, der Büttel aus Cádiar, mit seinen Männern im Dorf und beendete das Blutbad. Hernando konnte nur ahnen, worum es im Gespräch zwischen El Zaguers Männern und den blutrünstigen Morisken ging. Sein Blick suchte seine Mutter, die nun am ganzen Körper zitternd mit angezogenen Beinen auf der gefrorenen Erde saß und den Kopf zwischen den Knien versteckte. Und Andrés, der als Nächster an der Reihe gewesen wäre.
    »Geh zu ihr«, forderte Hamid ihn auf. »Das hat sie für dich getan«, sagte er noch, als er Hernandos Widerwillen bemerkte. »Sie hat es für dich getan. Deine Mutter hat sich an einem christlichen Geistlichen gerächt, und damit hat sie auch für dich Rache geübt.«
    Hernando machte schließlich einige Schritte auf sie zu, blieb dann aber stehen. Schließlich stand Aischa auf.
    »Lass uns gehen«, sagte sie nur und machte sich schweigend auf den Heimweg.
    Dort ging Aischa wie gewohnt ihren alltäglichen Arbeiten nach. Sie wechselte nicht einmal die Kleidung, so als wären die Blutflecken etwas Selbstverständliches. Hernando hingegen konnte sich nicht auf seine Aufgaben konzentrieren: Bestimmt wartete Ubaid bereits in der Burg auf ihn, wenn er nicht sogar zu ihm ins Dorf kam. Er sah sich im Stall um. Er musste auf der Hut sein. Hamid wusste, dass er dem Maultiertreiber eine Falle gestellt hatte. »Ich vertraue dir«, hatte er zu ihm gesagt. Aber was hielt er von ihm? »Ein Richter lässt niemals Unrecht walten. Wenn er die Wahrheit unterdrückt, dann nur, um nützlich zu sein.« Und der Alfaquí hatte bekräftigt, dass er davon überzeugt war. Der Junge sah sich noch einmal vor dem Stall um, er achtete auf jedes Geräusch.
    In der Nacht schlief er schlecht, und selbst den Kindern fiel am nächsten Tag seine Unaufmerksamkeit auf, als er den Koran rezitierte. Es war der erste Tag im Jahr des

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