Die Pfeiler des Glaubens
Ausrufer durch die Straßen gezogen und hatten an besonders belebten Plätzen die wichtige Bekanntmachung verlesen: Die gesamte Bevölkerung war dazu aufgerufen, nach der Beichte und dem Abendmahl an der Prozession teilzunehmen, und zwar ausgestattet mit einem Kreuz oder einem Bußinstrument. Der Zug sollte eine Stunde nach Mittag an den Toren der Kathedrale beginnen.
Im Palast des Herzogs von Monterreal stand Doña Lucía mit ihren Töchtern und ihrem Sohn schon bereit: Sie trugen schwarze Kleidung und hielten eine Kerze in der Hand. Die Hidalgos und Hernando – selbstverständlich ebenfalls in Schwarz – sollten die Prozession mit Fackeln begleiten. Man hatte sich im bevorzugten Saal von Doña Lucía eingefunden, um dort das Läuten der Kirchenglocken in der ganzen Stadt abzuwarten. Der Bischof hatte sogar das Läuten der Glocken der Konvente in den nahe gelegenen Dörfern und der Klausen in den Bergen angeordnet. Die verhärmte Doña Lucía saß – umringt von ihren Kindern – da, betete leise vor sich hin und ließ die Perlen des Rosenkranzes durch ihre Finger gleiten. Die übrigen Anwesenden warteten angespannt. Da erschien Don Esteban: Er ging barfuß, trug außer Hosen keine Bekleidung und schulterte ein mächtiges Holzkreuz. In diesem Aufzug näherte er sich der Herzogin und begrüßte sie mit einer leichten Verbeugung. Der alte Feldwebel hatte einen überraschend muskulösen Oberkörper, über den viele Narben verliefen. Doña Lucía begrüßte den Kriegsversehrten mit zusammengepressten Lippen, ihre Augen wurden plötzlich feucht. Sofort machte sich ein anderer Hidalgo auf, um sich ein mindestens ebenso imposantes Kreuz zu besorgen. Die übrigen Männer sahen einander an und folgten ihm dann einer nach dem anderen.
»Jetzt hast du Gelegenheit, dich Gott zu empfehlen und Don Alfonso noch einmal zu retten.« Das waren seit langer Zeit die ersten Worte, die Don Sancho an Hernando richtete. »Oder ist dir sein Tod gleichgültig?«
Wünschte er den Tod des Herzogs herbei? Nein. Hernando dachte an die Tage in Barrax’ Zelt und an ihre Flucht durch die Schlucht. Ja, der Herzog war ein Christ, aber er war auch ein Freund. Vielleicht war dieser Aristokrat sogar der einzige Mensch in ganz Córdoba, auf den er sich verlassen konnte. Hernando entschied, es dem Hidalgo nachzutun und für Don Alfonso Buße zu leisten. Es war doch alles gleichgültig. Seine Glaubensbrüder hielten ihn ohnehin schon für einen Verräter.
»Aber wo bekommen wir denn jetzt noch ein Holzkreuz her?«, hörte er einen der Hidalgos die Diener fragen. »Wir haben keine Zeit, um …«
»Wir können uns doch Schwerter oder Eisenstangen oder Holzbalken an den Rücken und die Arme binden. Dann ist unser Körper das Kreuz«, schlug der Hidalgo neben Hernando vor.
»Wir könnten auch eine Peitsche nehmen«, warf ein anderer ein, »oder eine Geißel.«
Im Palast des Herzogs herrschte wahrlich kein Mangel an Schwertern. Doch Hernando fiel sofort das große alte Holzkreuz ein, das in einer Ecke der Stallungen hing. Ein Reitknecht hatte ihm einmal erklärt, wie das Kreuz dorthin gelangt war: Der Herzog hatte das einfache Holzkreuz mit der großartigen Christusfigur aus Bronze, das in der Palastkapelle über dem Altar hing, durch ein reich verziertes Kreuz aus edlem kubanischem Mahagoni ersetzen lassen. Das alte Kreuz wurde dann – ohne Christusfigur – in den Stall gestellt.
Es war ein sonniger, aber kalter Tag. Zum Klang der Glocken aller Kirchen der Stadt und der Umgebung begann die große Prozession an der Puerta de Santa Catalina der Mezquita von Córdoba. Sie zog zunächst Richtung Fluss und dann unter der Brücke zwischen der Mezquita und dem Bischofspalast hindurch. Der Bischof spendete den Gläubigen vom Balkon aus seinen Segen. Der Corregidor der Stadt und der Großmeister der Kathedrale führten den Zug der Gläubigen an, gefolgt von den Veinticuatros und Jurados mit ihren Bannern. Hinter den Domherren und den übrigen Geistlichen und Pfründenbesitzern wurde die Christusskulptur aus der Capilla del Santo Cristo del Punto der Kathedrale auf einem Holzgestell getragen. Mönche führten die Heiligenfiguren aus ihren Klöstern auf ganz ähnlichen Holzkonstruktionen, viele von ihnen mit Baldachinen, mit sich. Dahinter warteten mehr als zweitausend Menschen mit brennenden Kerzen oder Fackeln, angeführt von Doña Lucía und ihren Kindern, die von Adligen getröstet wurden, die die Nähe der herzoglichen Familie suchten.
Dahinter
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