Die Pfeiler des Glaubens
setzte er sie rittlings vor sich auf das Pferd und preschte los. Er musste sich zwischen Órgiva und Berja entscheiden: In Berja hielt sich des Teufels Eisenhaupt auf, aber auf der Strecke nach Órgiva waren viele Morisken unterwegs. Aben Aboo, Ibrahim und ihre Leute machten die Gegend um Válor unsicher, und seinem Stiefvater wollte er unter keinen Umständen begegnen. Den Weg nach Berja kannte er: Er hatte ihn ja erst vor ein paar Monaten zurückgelegt, als er nach Adra unterwegs war. Um nach Berja zu gelangen, brauchte er nur kurz vor der Küste nach Osten reiten, in Richtung der Sierra de Gádor. Als sie Ugíjar ein gutes Stück hinter sich gelassen hatten, hielt Hernando seinen Rotschwarzen an, der vom Galopp ins Schwitzen gekommen war.
»Wohin bringst du mich?«, fragte Isabel.
»Ich bringe dich zu deinen Leuten.«
Sie ritten im Trab weiter, als das Mädchen noch eine Frage stellte: »Warum tust du das?«
Hernando wusste keine Antwort. Warum er das tat? Wegen Gonzalico? Wegen der Wärme, die Gonzalicos Hände vor seinem Märtyrertod verströmt hatten? Wegen des Augenblicks, der ihn mit Isabel verband, als sie beide mit ansehen mussten, wie Ubaid ihren Bruder umbrachte? Oder wollte er einfach nicht, dass sie einem Barbaresken oder Renegaten in die Hände fiel? Er selbst hatte sich die Frage noch nie gestellt. Er hatte immer nur gehandelt … Er hatte sich nur von seinen Gefühlen leiten lassen! Aber die Frage war berechtigt. Anscheinend war er einfach immer auf der Suche nach Schwierigkeiten. Er gab dem Pferd die Sporen und hielt Isabel an der Taille fest, damit sie nicht fiel. Sie war federleicht. Ein unschuldiges Mädchen, das seine Hilfe brauchte. Das war der Grund, wurde ihm plötzlich klar, als ihm der Wind ins Gesicht peitschte. Er tat es, weil sie unschuldig war!
Unterwegs versuchte kein Moriske sie aufzuhalten. Sie traten nur zur Seite und bewunderten erstaunt dieses merkwürdige Paar zu Pferde: Eine weibliche Gestalt in weißen Gewändern mit verhülltem Gesicht, die ein hochmütiger, prächtig gekleideter Reiter festhielt, dessen Krummsäbel gegen die Flanke eines Rotschwarzen peitschte.
Noch vor Mittag hatten sie ihr Ziel fast erreicht. Den letzten Teil des Weges legten sie im Schritt zurück, um dem Pferd etwas Ruhe zu gönnen. Da erst wurde ihm die Berührung mit Isabels Körper bewusst. Das Mädchen hatte sich vertrauensvoll an ihn geschmiegt, und ihr Gesicht ruhte an seiner Brust. Hernando fühlte ihren sich hebenden und senkenden Oberkörper an seinem, ihre Kleidung war vom Schweiß durchnässt.
Als sie schließlich die Silhouette von Berja vor Augen hatten, verdrängte er diese Gedanken. Berja war eine wunderschöne Stadt, jedes Haus hatte einen eigenen Garten, und Verteidigungstürme ragten über die Hausdächer hinaus. Vor der Stadt waren Bewohner mit der Feldarbeit beschäftigt, einige christliche Soldaten ruhten sich aus, andere besorgten Futter für die Pferde. Aber bei Hernandos Anblick hielten sie alle plötzlich inne. Die Sonne stand im Zenit. Hernando zügelte den Rotschwarzen, der die Anspannung seines Reiters spürte und schnaubend auf der Stelle tänzelte: Sein Fell schimmerte in der hellen Mittagssonne mit Hernandos Umhang um die Wette – und mit den Rüstungen des Marquis von Los Vélez und dessen Sohn Don Diego Fajardo, die beide vor dem Eingang zur Stadt standen.
Als Hernando Isabel vom Pferd half, stürmte schon eine Gruppe Soldaten mit gezückten Waffen auf sie zu. Schnell riss er dem Mädchen den Schleier vom Kopf, und ihr hellblondes Haar leuchtete in der Mittagssonne. Dann zog er den Krummsäbel aus der Scheide und hielt ihn dem Mädchen an den Hinterkopf. Einige Soldaten stolperten, als die erste Reihe fünfzig Schritte vor den beiden plötzlich haltmachte.
»Mädchen, lauf! Komm zu uns!«, rief ein Soldat und lud seine Arkebuse.
Aber Isabel blieb ruhig stehen.
Hernando suchte den Blick des Marquis von Los Vélez. Des Teufels Eisenhaupt schien Hernando zu verstehen. Mit einer Handbewegung befahl er seinen Männern den Rückzug.
»Friede sei mit dir, Isabel«, wünschte Hernando ihr zum Abschied, als die christlichen Soldaten den Anweisungen ihres Befehlshabers gefolgt waren.
Dann machte er kehrt und ritt im gestreckten Galopp davon. Dabei wirbelte er mit dem Krummsäbel durch die Luft und stieß die Kriegsrufe der Morisken aus.
18
Wir haben erfahren, dass uns zweiundzwanzigtausend schwer bewaffnete Mauren überfallen werden. Wir sind zweitausend Mann. Ich
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