Die Pfeiler des Glaubens
aber das Pferd konnte sich einfach keinen Weg durch die dicht gedrängte Menschenmasse bahnen. Eine Bleikugel sauste direkt an seinem Kopf vorbei. Hernando begann zu beten und klammerte sich an die Mähne seines Pferdes. Plötzlich spürte er einen stechenden Schmerz im rechten Oberschenkel. Ein Pfeil steckte in seinem Bein. Der Schmerz war unerträglich. Da setzte das muslimische Heer zum Rückzug an. Sein Pferd wäre von der Menschenmenge, die durch die Gassen stürmte, beinahe umgerissen worden. Hernando war außerstande, es zu lenken, aber wie durch ein Wunder machte das Pferd von selbst kehrt und ließ sich von der Menschenflut aus der Stadt spülen.
Aben Humeya setzte die ganze Nacht über die Angriffe fort. Im Feldlager bekam Hernando einen Becher Wasser mit Haschisch gegen seine Schmerzen zu trinken, bevor ein Bader seine Wunde versorgte. Er schnitt das Fleisch um die Wunde herum auf, zog den Pfeil heraus und vernähte fachmännisch die Wunde. Hernando fiel für kurze Zeit in Ohnmacht.
Im Morgengrauen ordnete Aben Humeya den endgültigen Rückzug an. Des Teufels Eisenhaupt hatte die ganze Nacht über seinen strategischen Vorteil geschickt genutzt und die Morisken in Schach gehalten. Hernando ritt im Gefolge des Königs im wilden Galopp, sein rechtes Bein hing kraftlos herab. Er biss die Zähne zusammen und strengte sich an, nicht abgeworfen zu werden. Sie ließen fast eintausendfünfhundert Tote zurück.
»Mögen der Prophet und der Sieg dich begleiten.« Mit diesen Worten hatte sich Fatima von Hernando verabschiedet, bevor er nach Berja aufgebrochen war.
Das Heer des Marquis von Los Vélez setzte ihnen nicht nach – es wäre verrückt gewesen, ins offene Gelände zu gehen. Doch die Morisken zogen sich entmutigt und übel zugerichtet in die Berge zurück. Hernando vertraute seinem Rotschwarzen, der sich der rasenden Geschwindigkeit der übrigen Pferde anpasste, und flüchtete sich in Erinnerungen an Fatima. Er musste unbedingt die erniedrigende Niederlage und den pochenden Schmerz im rechten Bein vergessen.
Fatima und er hatten in den Tagen nach Isabels Befreiung und vor Aben Humeyas Sturm auf Berja wieder mehr Zeit miteinander verbracht. Fatimas Groll und die Angst waren verschwunden. Aischa kümmerte sich unterdessen um Humam und ihre eigenen Söhne. Ibrahim, der sich immer noch bei Aben Aboo in Válor aufhielt, war einmal kurz bei ihnen in Ugíjar aufgetaucht, nur um dann gleich wieder zu verschwinden. Fatima und Hernando genossen die gemeinsamen Augenblicke. Tag und Nacht suchten sie Momente der Zweisamkeit. Sie plauderten, gingen spazieren und erinnerten sich an die Ereignisse der letzten Monate. Und sie genossen die gelegentlichen zärtlichen Berührungen. Auf einem der Spaziergänge fasste sich Fatima ein Herz und erzählte Hernando von ihrem Ehemann, dem Lehrling ihres Vaters, den sie eher als Bruder denn als Liebhaber gesehen hatte.
»Er war immer bei uns, seit ich ein kleines Mädchen war. Mein Vater hatte ihn gern … und ich auch.« Fatima sah zu Hernando, als wollte sie sehen, wie er diese Worte aufnahm. Hernando schwieg, und sie erzählte weiter. »Er war aufmerksam und sanft … Er war ein guter Ehemann, und er liebte Humam.«
Sie holte tief Luft. Hernando wartete, dass sie weitersprach.
»Als ich von seinem Tod erfuhr, habe ich um ihn geweint. So wie ich beim Tod meines Vaters geweint habe. Aber …« Fatima sah plötzlich zu Hernando, der Blick ihrer schwarzen Augen schien durchdringender denn je. »Aber jetzt weiß ich, dass es noch andere Gefühle gibt.«
Sie beugte sich zu ihm und besiegelte ihre Worte mit einem zärtlichen Kuss. Danach gingen sie stumm und von einer unvermuteten Schüchternheit befangen zurück ins Haus. Lange hatten sie Ibrahim und seine Drohungen vergessen, aber plötzlich klang das Echo seiner Zornausbrüche in ihren Ohren. Was würde nur aus Aischa, wenn …?
An dem Tag, an dem der Abzug des Heeres nach Berja verkündet wurde, brachte Fatima Hernando eine frische Limonade. Er hielt sich schon am frühen Morgen bei den Pferden auf, und eine gespannte Vorfreude auf das bevorstehende Gefecht lag in der Luft. Hernando setzte sie aus Spaß auf seinen Rotschwarzen und bemerkte ihr Beben, als er dabei ihre Taille umfasste. Er half ihr auch beim Absitzen, und Fatima ließ sich lachend in seine Arme fallen. Als sie sich an ihn schmiegte, überraschte sie ihn mit einem langen Kuss. Jusuf schlich davon, aber aus den Augenwinkeln beobachtete er sie weiterhin. Hernando
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