Die Pfeiler des Glaubens
Ankunft von Barrax und seinen Männern war die Vertrautheit und angenehme Stimmung des Vortags dahin: Aischa, Fatima und Salahs Frau hielten nun wegen der vielen Fremden im Haus Kopf und Gesicht verhüllt. Fatima versuchte ihr Lächeln vom Vortag zwar durch lange, warme Blicke zu ersetzen, aber genau wie Aischa spürte sie bald, dass etwas nicht stimmte.
»Was bedrückt dich, mein Sohn?«, fragte Aischa, als niemand sie hören konnte. Hernando schüttelte nur den Kopf. »Um uns brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Anscheinend liegt dem Korsaren nicht viel an Frauen …«
Hernando hörte ihr nicht weiter zu. Wie sollte er ihr nur erklären, dass er ein Christenmädchen hinter der Mauer versteckt hielt, das vermutlich ausgehungert und verängstigt und durchaus imstande war … Was, wenn sie ihr Versteck verlassen und man sie festgenommen hatte? Dann würden die Soldaten bald zu ihm kommen. Wie sollte er ihnen dann erklären, dass er kein Futter für die Tiere hatte? Konnte er seiner Mutter anvertrauen, dass er die Befehle des Königs missachtete? Wenn sie dem Maultiertreiber aus Narila schon wegen eines kleinen Goldkreuzes die Hand abgehackt hatten …
»Warum zitterst du denn so?«, fragte ihn seine Mutter und befühlte seine Stirn. »Bist du krank?«
»Nein … Nein, Mutter. Mach dir bitte keine Sorgen.«
»Was …?«
»Mach dir keine Sorgen!«, herrschte er sie an.
Am Nachmittag kümmerte er sich um die Tiere und versuchte dabei, sich wie zufällig an dem Teil der Mauer aufzuhalten, hinter dem sich Isabel versteckt hielt. Aber er schaffte es nicht einmal, über die Mauer hinweg mit ihr zu reden. Jusuf wich ihm keine Sekunde von der Seite. Er zeigte sich äußerst wissbegierig und wollte alles über die Tiere und ihre Pflege lernen.
Schließlich ergab sich für Hernando eine Gelegenheit, als sie ganz in der Nähe von Isabel waren. Hernando zeigte Jusuf die Erdkrumen auf den Unterlippen der Pferde.
»Weißt du, warum sie Erde im Maul haben?«, fragte er den Kleinen.
»Weil sie in der Erde nach Wurzeln suchen?«, antwortete der Junge verwirrt. Wie konnte ihm Hernando nur eine so einfache Frage stellen?
»Nein. Weil es kein Futter gibt!«, sagte Hernando etwas zu laut und tat so, als schaute er auf die Felder hinter der Mauer. »Erst morgen gibt es wieder Futter! Morgen!«
»Sie hat schon gegessen«, flüsterte Jusuf. Hernando tat einen Satz zur Seite.
»Was?«
»Ich habe ein Wimmern gehört. Da habe ich nachgesehen«, erklärte der Junge. »Ich habe ihr ein Stück Brot gegeben. Keine Angst«, sagte er noch schnell, als er Hernandos Panik bemerkte: »Ich verrate dich nicht.«
Hernando strich dem kleinen Jusuf über den Kopf und sah zum bleigrauen Himmel hinauf, der die Sierra Nevada verhüllte. Aber was war morgen?
In dieser Nacht sprach Fatima Hernando an. Die besorgte Aischa hatte sie dazu angestiftet. Sie sprach sanft auf ihn ein, und Hernando meinte, ihr besorgtes Gesicht durch den Schleier hindurch zu erkennen. Er führte die Finger seiner rechten Hand zum Schleier, um ihn zu lüften, aber plötzlich war Fatima verschwunden.
»Was ist eigentlich mit dem Futter?«, fragte Salah hinter seinem Rücken.
Der Händler hatte Fatima aufgeschreckt. Trotz seiner enormen Körperfülle war es ihm gelungen, unbemerkt in den Raum zu schlüpfen, in dem sie Hernando angesprochen hatte. Es war der Vorraum, von dem aus die Treppen in die Kellerräume führten, in denen Salah seine Waren eingeschlossen hatte. Fatima versuchte hastig, an dem dicken Mann vorbeizukommen, ohne ihn zu berühren, aber dieser rieb sich einen Augenblick an dem Mädchen, sichtlich erfreut über den Kontakt.
»Lass sie ihn Frieden!«, rief Hernando. »Was habt ihr alle nur immer mit eurem Futter?«, murrte er unwirsch, nachdem sich Fatima an Salah vorbeigezwängt hatte und ins Obergeschoss verschwunden war.
»Weil es kein Futter geben wird.« Salahs kleine Augen funkelten im schwachen Licht der Laterne, die über der ersten Treppenstufe an der Decke hing. »Der ganze Markt redet über einen jungen Morisken mit einem Krummsäbel, der ein wunderschönes Christenmädchen hinter sich herschleifte, das ihm der König überlassen hat, um Futter zu kaufen.«
»Ja, und?«
»Das Mädchen ist nicht hier, und du hast sie auch nicht zu Geld gemacht. Niemand in Ugíjar hat sie dir abgekauft. Das weiß ich.« Das hatte Hernando nicht bedacht und dennoch … Auf einmal war er ganz ruhig. Das war die Lösung! Die Angst, die ihn die ganze Zeit
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