Die Pflanzenmalerin
dass seine Geschäftskorrespondenz unerledigt und ein Brief, der mit den Worten »Meine liebste H…« begann, unvollendet auf seinem Schreibtisch liegen blieb.
4
Nach dem Einbruch
Ich fühlte mich entschieden unbehaglich, als ich mich in meiner kleinen Küche an den Tisch setzte und Katya beim Teemachen zuschaute. Mir gegenüber saß ein junger Polizist, der die üblichen Fragen stellte. Nein, nichts fehlte. Alles stand noch an seinem Platz, nichts war beschädigt.
»Pass, Sparbuch, Postsparbuch... Alles da, Sir?« Ich kam mir vor wie ein alter Opa.
»Ja, alles noch da.«
»Haben Sie Geld im Haus?«
»Hätte ich gern, aber irgendwie schaff ich das nie.«
»Tja, wenn Sie sich ganz sicher sind, Sir...«
Er schrieb etwas auf seinen Block und sah dann zu Katya auf, die drei Teetassen auf einem Essteller zum Tisch balancierte. »Das muss sehr beunruhigend für Sie beide sein, ich weiß.«
Die Bemerkung des jungen Mannes galt ausschließlich ihr. Durch sein Interesse aufmerksam geworden, schaute ich ihr nach, als sie sich abwandte, um den Zucker zu holen. Ich war Katya nicht oft begegnet, seit sie eingezogen war; genauer in Augenschein genommen hatte ich sie noch nie. Jetzt erschien sie mir größer und schlanker, als ich gedacht hatte, attraktiv auf eine jugendliche, etwas linkische Art. Sie war schwarz gekleidet, und auch ihr Haar war dunkel - lang und glatt, mit einem Pony, der ihre Stirn umrahmte. Bis dahin war der kleine silberne Nasenstecker das Einzige gewesen, was ich wirklich registriert hatte. Komisch, dachte ich, wie wenig ich sie wahrgenommen hatte.
Sie beantwortete die Fragen des Polizisten mit einem leichten Akzent, sprach aber mit einer Selbstverständlichkeit Englisch, als sei sie damit aufgewachsen. Sie hatte nicht viel zu berichten. Kurz vor zwölf sei sie nach Hause gekommen und habe die Scheibe in der Tür zerbrochen vorgefunden. Sie habe sofort die Polizei gerufen und dann auf der Treppe gewartet. Angefasst habe sie nichts. Seit zwei Monaten wohne sie hier. Dass sich irgendjemand in der Nähe der Haustür verdächtig verhalten hätte, habe sie nicht bemerkt. Sie komme aus Schweden und studiere Geschichte.
In der Tasche des Beamten piepte es, und er legte den Block beiseite.
»Viel mehr kann ich hier im Moment nicht tun«, sagte er mit neutraler Miene zu mir. »Wahrscheinlich waren es Kinder. Aber Sie werden Maßnahmen ergreifen müssen, um das Haus besser zu sichern. Bei der Tür kann man sich nur wundern, dass so was nicht schon früher passiert ist.«
Ich stand auf, um ihn hinauszubegleiten, aber Katya erhob sich ebenfalls, und da sie näher an der Tür war, ließ ich die beiden mit einem Nicken gehen. Aus dem Flur drang eine vertraulich gesenkte Stimme herein.
»Sollten Sie mich noch einmal brauchen, Miss, rufen Sie mich unter der Nummer hier an. Jederzeit. Greifen Sie einfach zum Hörer...«
Dann fiel die Haustür ins Schloss. Katya kam zurück und setzte sich auf den Stuhl mir gegenüber. Die Küche im Erdgeschoss war meine - Katya hatte ihre eigene -, und es war seltsam, dass wir nun allein hier saßen. Doch man saß gut hier - ein betagter Boiler hielt den Raum zu den ausgefallensten Zeiten warm, und eine Laune der Lüftung sorgte dafür, dass von den Büros nebenan stets Kaffeeduft herüberzog. Selbst an diesem Abend schien die Küche gefeit gegen das vage Gefühl der Bedrohung durch einen Eindringling, das einen im Flur und in den anderen Zimmern beschlich. Ein alter Holztisch füllte sie fast ganz aus. Wir saßen im weichen gelben Licht, und eine Weile sagte keiner etwas. Als ich den Blick von meinem Tee hob, sah ich, dass Katya mich unter ihrem Pony hervor beobachtete.
»Stimmt das?«, fragte sie. »Fehlt wirklich nichts? Sie schienen sich nicht sicher zu sein.«
Ich antwortete nicht gleich, aus Angst, mich lächerlich zu machen.
»Nein, es fehlt nichts. Ich bin nur beunruhigt.«
Katya nickte. »Keine angenehme Vorstellung, dass jemand hier herumschnüffelt. Aber wenigstens hat er nichts mitgehen lassen.«
Genau das irritierte mich. Ein Diebstahl hätte mir noch eingeleuchtet.
»Etwas ist mir allerdings aufgefallen«, sagte ich. »Etwas Komisches.«
Sie sah mich aufmerksam an.
»Was denn?«
Ich versuchte, es ihr zu erklären, jedoch erst, nachdem sie mir nach oben gefolgt war und wir nebeneinander vor den Bücherregalen standen, die eine Wand meines Schlafzimmers einnahmen.
»Haben Sie mal einen von diesen Schwarz-Weiß-Filmen gesehen, in denen der Detektiv in sein
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