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Die Pflanzenmalerin

Titel: Die Pflanzenmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Davies
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Londoner Salons von seiner Reise erzählen und mit den großen Philosophen der Zeit von gleich zu gleich verkehren würde. Vielleicht hatte er dieses Bild seit langem in sich getragen, so tief verborgen, dass nicht einmal er selbst es betrachten konnte, bis er seines Erfolges sicher war. Versuchte er jedoch, sich Harriet in dieser Welt vorzustellen, verblasste das Bild. Unbehaglich saß sie dann neben diesen Männern ernsthafter Wissenschaft, und er schämte sich dafür, dass er bei dem Gedanken an sie nicht ihr Gesicht vor sich sah; vielmehr schlug sein Herz höher bei der Erinnerung an einen Hals, so glatt wie helles Porzellan, an seine Fingerspitzen, die sacht die Linien weicher nackter Schultern nachzeichneten. Wollte er sich ihre Stimme oder ihr Lächeln ins Gedächtnis zurückrufen, waren es diese Bilder, die fortwährend wiederkehrten. Irritiert wischte er sie beiseite bis zu dem Tag, an dem er Harriet selbst sehen würde.
    Als die Endeavour endlich in Deal vor Anker ging, waren sie fast drei Jahre fort gewesen.
    Ihre Rückkehr wurde zu einem noch größeren Ereignis, als er auch nur hätte ahnen können, und sein Empfang in London überstieg seine kühnsten Träume. Binnen weniger Tage wurde er zum öffentlichen Gesicht der Expedition, er, der junge Mann, der Kühnheit und Abenteuerlust mit leidenschaftlichem Wissensdrang vereint hatte. Während Cook sang- und klanglos von der Routine der Nachbesprechungen bei der Admiralität verschluckt wurde, trug Banks dieselbe Botschaft in die vornehme Gesellschaft und eröffnete deren Einbildungskraft neue Welten. Hatte er befürchtet, die Einzigartigkeit dessen, was er erlebt hatte, würde nicht ohne weiteres gewürdigt werden, so hatte er sich getäuscht. Und wenn die Bilder und Gemälde der neu entdeckten Orte nicht ausreichten - die dort gesammelten Objekte waren allein schon Wunder genug. Banks hatte Pflanzenproben gesammelt, welche die Botaniker auf Jahre hinaus faszinieren sollten, und auch anderes, Spektakuläreres, galt es zu beschreiben. Man konnte schwerlich von Pflanzen und deren Vermehrung sprechen, wenn die Zuhörer Aussehen und Verhalten des Kängurus bestaunen wollten. Banks’ Berichte von all dem Neuen, all den Wagnissen machten ihn berühmt, atemlos eilte er von Salon zu Salon, von Speisezimmer zu Speisezimmer und konnte kaum glauben, welche Ehren ihm zuteil wurden.
    Anfangs trieb er auf dieser Woge des Ruhms wie ein Boot auf dem sturmgepeitschten Meer, rastlos, von Welle zu Welle gehoben, ohne sein Ziel oder sein Schicksal noch in der Hand zu haben. Fünf Tage lang fand er sich nicht bei Harriet Blosset ein, dann sandte sie ihm einen gekränkten, vorwurfsvollen Brief, in dem sie sich über die so sichtbare Vernachlässigung beklagte. Da ging er schließlich zu ihr, jeder fand den anderen verändert, und es wurde eine peinliche, unbefriedigende Begegnung. War Banks früher locker und amüsant gewesen, so erschien er ihr nun angespannt und unsicher, auch interessierten Gespräche über ferne Inseln sie weniger als solche über eine Zukunft mit ihm in London und auf dem Land. Sie begrüßte ihn kühl, ohne zu ahnen, wie reizvoll gerade die Offenheit gewesen war, mit der sie ihm einst ihre Gefühle gezeigt hatte. Diese stolze, grollende Harriet war eine Fremde für ihn. Im Verlauf der Unterhaltung erschien sie ihm weniger beeindruckend, als er sie in Erinnerung hatte, das cremige Weiß ihrer Haut weniger vollkommen, ihr Gang weniger anmutig und natürlich. Gern hätte er sie berührt, um die Weichheit wieder zu spüren, deren er sich entsann, aber ihr förmliches Betragen ermutigte ihn nicht dazu. Nach einer quälenden, ergebnislosen halben Stunde entschuldigte er sich. Er sei nicht Herr seiner Zeit, sagte er, und in wenigen Tagen müsse er nach Revesby und sich um die Verwaltung seiner Güter kümmern. Nach seiner Rückkehr, so versprach er, werde er ihr erneut seine Aufwartung machen, dann würde Zeit sein, über die Zukunft zu sprechen.
    Vielleicht setzte ihm noch der Trubel der Londoner Gesellschaft zu, vielleicht lag es auch an den Strapazen seiner Reise, dass er während der Fahrt nach Revesby kaum an seinen letzten Aufenthalt dort dachte. Seine Gedanken weilten bei den Verbesserungen, die er möglicherweise vornehmen würde, bei den Entscheidungen über Pacht und Zins, die zu treffen waren. Es erstaunte ihn, dass ihn bei seiner Ankunft Menschen und Gesichter grüßten, an die er drei Jahre lang nicht mehr gedacht hatte, alle lächelnd, alle

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