Die Pflanzenmalerin
Klopfen an der Tür und Potts’ Stimme, die mich mit ihrem schleppenden amerikanischen Akzent aufforderte, zum Frühstück herunterzukommen. Als ich es endlich trockenen Mundes und etwas heiser nach unten geschafft hatte, saß Potts in dem Teil der Bar, in dem man am Tisch bedient wurde. Bei Tageslicht wirkte der Raum wieder schmutzig und schäbig, und es roch nach abgestandenem Zigarettenrauch.
»Hier, Mr. Fitzgerald.« Potts winkte mich heran. »Ich hab im The George schon ausgecheckt. Dachte, die können mir hier genauso was zum Frühstück machen. Dachte, wir können uns dabei ein bisschen unterhalten.<
Er war wieder wie aus dem Ei gepellt, diesmal in einem lilagrünen Tweedanzug - der Nikolaus, ausstaffiert für die Moorhuhnjagd. Während er sich Kaffee einschenkte, sagte er mir, dass Smith, Andersons Detektiv, Stamford am vergangenen Abend verlassen habe. Damit sei es mehr oder weniger sinnlos geworden, noch länger hier zu bleiben.
»Der Brief sieht nach Sackgasse aus«, sagte er. »Ich fahre nach London, suche Anderson und kümmere mich noch um ein paar andere Kleinigkeiten.«
Ich knabberte dumpf an einem kalten Toastdreieck, und mir fiel nichts Vernünftiges ein, was ich hätte sagen können. Potts machte sich über ein gewaltiges warmes Frühstück her.
»Wissen Sie, wie alt ich bin, Mr. Fitzgerald?«, fragte er. »Ich werde siebzig. Und wissen Sie, was ich in all den Jahren gelernt habe? Dass das Frühstück die einzige Mahlzeit ist, die die Briten nicht verderben können. O Gott, was man mir in manchen Hotels in diesem Land schon zum Frühstück vorgesetzt hat...<
Er verstummte und tupfte sich mit einer Papierserviette die Mundwinkel. »Und wissen Sie, was ich noch gelernt habe? Ich habe gelernt zu erkennen, wann ich meine Zeit verschwende. Ich weiß nicht, wie Sie es sehen, aber keiner von uns beiden wird viel davon haben, wenn er hier in Priesterlöcher späht und über seltene Schafrassen lacht. Die Lösung liegt woanders.<
Damit vertilgte er die Reste seines Frühstücks und hielt mich mit Fragen zu Katyas und meinen Nachforschungen am Tag zuvor in Atem. Nachdem er seinen Teller von den letzten Spuren gekochter Bohnen in Tomatensoße gesäubert hatte, nahm er eine Zehn-Pfund-Note aus seiner Brieftasche und schob sie unter den Salzstreuer.
»Das müsste genügen«, erklärte er. Dann warf er mir einen Blick zu und holte noch etwas aus seiner Brieftasche. »Wissen Sie, wer das ist?«, fragte er.
Ich erkannte sie sofort wieder. Es war kein Foto, sondern die Fotokopie eines alten Drucks, eines billigen Porträts, wie es im achtzehnten Jahrhundert verbreitet war - körnig, unscharf, kunstlos ausgeführt. Ein hübsches Gesicht mit klaren, feinen Zügen, nicht weiter bemerkenswert. Doch trotz der routinierten Flüchtigkeit seiner Arbeit hatte der Künstler in den Augen etwas eingefangen, was das Porträt seltsam eindrucksvoll machte, etwas Intelligentes, Bezwingendes.
Ich sah zu Potts auf. »Woher haben Sie das?«
»Es lag in Andersons Hotelzimmer.«
»Sie haben Anderson getroffen?«
»Nein. Ich habe keine Ahnung, wo er steckt. Aber ich habe in Erfahrung gebracht, dass er sein Zimmer im Mecklenburg Hotel behalten hat, und da bin ich hinein und habe seine Papiere durchgesehen.« Wieder dieses huldvolle Lächeln. »Schauen Sie nicht so entsetzt, Mr. Fitzgerald. Ich bin durch den Flur gegangen, als hätte ich mich verlaufen, und da hat mir ein Zimmermädchen aufgesperrt.« Er lächelte ein wenig reumütig. »Viel gab’s nicht zu sehen. Eine Kopie von dem Brief, den wir auch haben, ein ganzer Stapel Kopien aus Büchern und Artikeln über Joseph Banks. Nichts weiter Aufregendes. Das Bild lag ganz unten und ist mir irgendwie ins Auge gesprungen. Da hab ich’s mitgenommen.«
Ich gab ihm das Bild so gelassen und beiläufig zurück wie nur möglich. »Tut mir Leid«, sagte ich. »Ich habe keine Ahnung, wer das ist.« Und dann nahm ich einen langsamen, tiefen Schluck Tee. Denn wer immer sie war: Hans Michaels hatte sie gefunden. Und wenn Michaels sich hingesetzt und ihr Porträt gezeichnet hatte, dann deshalb, weil sie die Spur war, die ihn, wie er glaubte, zum Ulieta-Vogel führen würde.
Potts zuckte die Schultern und steckte das Bild wieder ein, stand dann auf und gab mir die Hand. Als er mit seinen Taschen zur Tür ging, rief ich ihm nach:
»Mr. Potts?« Er drehte sich um. »Das Bild. Ob ich mir wohl eine Kopie davon machen könnte, für den Fall, dass ich irgendwann mal wieder darauf
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